Marktradar für Donnerstag, 8. Dezember 2022
Wenig Lärm um fast nichts
Gestern um die Mittagszeit amerikanischer Zeit sprang die von der CBOE gemessene Put Call Ratio sprunghaft an. Börsianer sicherten sich mit Long Put Optionen ab. Zugleich stieg das Handelsvolumen bei steigenden Aktien etwas stärker an als bei fallenden Aktien. Einerseits steigt die Angst vor fallenden Kursen, andererseits sah man gestern keine triftigen Gründe, massiv Aktien zu verkaufen. Zum Handelsende schlossen die großen US-Aktienindizes in etwa dort, wo sie eröffnet haben.
Es gab an diesem Tag wenig Lärm um fast nichts.
Der S&P 500 (SPY) schloss den fünften Tag in Folge im Verlust und sieht nun ein bisschen überverkauft aus.
Nun negative Korrelation bei Bonds und Aktien ?
Ganz anders verliefen diese fünf Tage aber für den Rentenmarkt. Der ETF für langlaufende US-Staatsanleihen (TLT) verbuchte in den letzten fünf Handelstagen viermal einen Tagesgewinn.
Womöglich sehen wir nun den Beginn einer Phase, in der Bonds und Aktien negativ korrelieren. Eigentlich wäre eine solche Gegenläufigkeit von Bonds und Aktien das, was wir die meiste Zeit im Börsenhandel sehen. Dass wir dieses im Jahr 2022 praktisch fast nie gesehen haben, wird in späteren Geschichtsbüchern vielleicht als Anomalie bewertet werden. Sollte sich die negative Korrelation von Bonds und Aktien bestätigen, werden viele Vermögensverwalter, die auf Asset Allocation setzen, aufatmen können: Mit Bonds im Portfolio kann es wieder möglich werden, schwache Tage im Aktienmarkt abzufedern. Mischfonds und ähnliche Produkte könnten mit niedrigerer Volatilität gegenüber reinen Aktienfonds werben – was 2022 kaum möglich war. Und mancher Aktienbesitzer könnte in Versuchung geraten, Teile seiner Aktienpositionen in Bonds umzuschichten. Allein diese “süße Versuchung” könnte zum Jahreswechsel einen Run in Bonds und einen Reißaus bei Aktien bewirken. Denn zum Jahreswechsel sehen wir bei Rotationsmodellen die wohl höchste Umschichtungsaktivität des Jahres.
Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?
Branchenrotationen fanden am Dienstag kaum statt. Fluggesellschaften, Einzelhandel, Agrarchemie und Industrie sind von „Kaufen oder Aufstocken” auf “Buy the dip” abgestuft worden. Den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren” erhalten nur die ARK-ETFs von Cathy Wood sowie die Branchen Lithium (LIT), Internet-Cloud (WCLD) und Biotechnologie (XBI).
Lithium Short
Im Bereich Lithium habe ich eine recht kleine Leerverkauf Position in der kanadischen Aktie Standard Lithium (SLI) aufgemacht. Standard Lithium erkundet, entwickelt und verarbeitet Lithium-Sole-Liegenschaften in den Vereinigten Staaten. Sein Vorzeigeprojekt ist das Lanxess-Projekt mit ca. 150.000 Acres Sole-Pachtverträgen im Süden von Arkansas.
Das Unternehmen erwirtschaftet bisher keine Umsätze, damit soll 2023 aber begonnen werden. Die Marktkapitalisierung beträgt bereits rund 900 Mio $. Mit den ersten Umsätzen soll das 2023er KUV bei etwa 8 liegen. Der Gewinn soll stärker steigen als die Umsätze, profitabel wird die Firma aber vermutlich frühestens 2025 werden.
Die Aktie ist bei privaten Tradern sehr beliebt und muss sicherlich als Hot Stock bezeichnet werden.
Lithium Aktien kamen zuletzt unter Druck, weil Goldman Sachs Analyst Nicholas Snowdon im September in einer Studie starke temporäre Rückgänge im Lithiumpreis voraus sagte. Dabei ging er von einem Rückgang von bis zu 80 % auf rund 16.400 $ aus. Branchenkenner haben irritiert auf diese Studie reagiert und gehen vermehrt vom Gegenteil aus.
Standard Lithium testet aktuell ein drittes Mal die Unterstützung bei 3,80 $. Fällt die Unterstützung, dann dürfte es schnell Richtung 3,50 und vielleicht sogar bis 3 $ runter gehen.
Häuslebauer brauchen Holz
Ergänzend zu meinen Ausführungen zu Aktien aus dem Segment Hausbau möchte ich heute eine Aktie vorstellen, die Materialien herstellt und liefert, die u. a. für den Hausbau gebraucht, aber auch von privaten Handwerkern für Umbau- oder Renovierungsarbeiten in Gebäuden verwendet werden.
Simpson Manufacturing (SSD; Marktkapitalisierung ca. 4 Mrd. $) gilt als Weltmarktführer für Holzverbinder. Die Produkte des Unternehmens werden vor allem im Leichtbau eingesetzt und umfassen neben Holzverbindern auch Winkel, Dübel und Schrauben, Befestigungssysteme und Scherwände. Mit ungefähr 85 % wird aktuell der bei weitem meiste Umsatz im Bereich der Holzkonstruktion erzielt, während der Bereich Beton mit 15 % vor allem Verbindungsmaterialien wie Klebstoffe, Metalldübel und chemische Dübel für den Stahl- und Betonbau umfasst. Die Kunden kommen aus dem Wohnungs-, Industrie- und Gewerbebau. Zusätzlich bietet Simpson Ingenieurdienstleistungen und Konstruktionssoftware an.
Das aktuelle Chartbild finde ich sehr interessant und auch die Fundamentaldaten überzeugen mich.
Charttechnisch fand die Aktie ihr Allzeithoch im Dezember 2021 bei knapp 140 $ und fiel in der Spitze bis etwa 77 $ zurück. Ab September 2022 hat sich eine Untertassenformation gebildet, die am 10. November per Up-Gap nach oben verlassen wurde. Die Gap-Eröffnung vom 10. November ist nur am 17. November intraday kurz unterschritten worden, so dass die Chancen gut stehen, dass dieses Gap nicht mehr geschlossen wird; also ein Pivot-Breakout vorliegt.
Seit dem 10. November bildet die Aktie eine flache Basis aus, die man in so einer Form in Charts eher unter 52-Wochen-Hochs erwartet. Bei 90 $ scheint die Aktie “von starken Händen” unterstützt zu werden. Die nächsten horizontalen Widerstände im Chart warten bei 100 $ und dann in 10er Schritten bei 110 und 120 $.
Ähnlich wie bei den gestern vorgestellten Hausbauern D. R. Horton (DHI) und Toll Brothers (TOL) erwartet das Management von Simpson Manufacturing bis 2024 kein Gewinn- und Umsatzwachstum. Das KGV liegt bei etwa 13. Schaut man in die Vergangenheit, so war dieser Weltmarktführer für Holzverbinder zwischen 2009 und 2021 meist mit einem KGV zwischen 30 und 37 bewertet worden. Wie bei den Hausbauern sehen wir also auch hier eine Unterbewertung im Vergleich zur eigenen Historie. Diese scheint mir bei Simpson Manufacturing mit mehr als 50 % unterhalb des Durchschnittswertes der 2010er-Jahre recht groß zu sein; das bedeutet: die Unterbewertung ist aktuell übertrieben.
Hinzu kommt, dass das Unternehmen praktisch schuldenfrei ist und mit einer Dividende von 1 % p. A. in Bezug auf die eigene Substanz doch recht knauserig ist. Für mich ein Top Pick im Value Bereich.
Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.
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