Season-trader

Marktradar vom 16. Dezember 2022

Marktradar vom Freitag, 16. Dezember 2022 von Stefan Pröhl

Marktradar für Freitag, 16. Dezember 2022

 

Gold und Stahl unter Druck

Wir sehen ein wichtiges Verkaufssignal in vielen Charts

Der ETF für den S&P 500 (SPY) ist gestern unter das letzte Zwischentief gefallen, das am 6. Dezember bei 391,64 $ erreicht wurde. Damit sind die Chancen auf eine Trendfortsetzung aus charttechnischer Sicht dahin. Nun muss mittelfristig mit einer Konsolidierung oder Korrektur, womöglich sogar mit einer Trendfortsetzung im übergeordneten Bärenmarkt gerechnet werden – zumindest sagen uns das die Charts seit gestern per Tagesschluss recht eindeutig. 

Man kann nun durchaus von Charts in der Mehrzahl sprechen, denn das gleiche Muster sehen wir im ETF auf den Nasdaq 100: Dort wurde das Zwischentief, das am 7. Dezember bei 278,78 $ erreicht wurde, gestern unterschritten. Ebenso im ETF auf den Russell 2000 (IWM): Dort sahen wir das Zwischentief am 12. Dezember bei 177,18 $, das gestern auch unterschritten wurde.

Dieses Muster sehen wir auch in vielen Aktien. Wer nun noch Long in Aktien rein gehen möchte, sollte nach Aktien suchen, die dieses klassische Verkaufssignal aus der Dow-Theorie nicht im Chart anzeigen.

Dazu passt, dass wir gestern mehr 52-Wochen-Tiefs als 52 Wochen-Hochs gesehen haben. Damit ist das Marktbreite Kaufsignal, das wir gestern noch sahen (5 Tage in Folge gab es mehr 52-Wochen-Hochs als 52-Wochen-Tiefs im S&P 500) ebenfalls hinfällig geworden.

US-Konsumenten sparten im November

Fundamentale Gründe hinter diesem rein charttechnischen Verkaufssignal könnten in den gestern veröffentlichten Daten zur Umsatzentwicklung im US-Einzelhandel gesehen werden. Diese gingen im November um 0,6 % zurück, nachdem sie im Oktober um 1,3 % gestiegen waren. Der Konsum ist wichtig für die US-Wirtschaft. 

Da die Börsianer nun wohl mehr auf die Wirtschaftsdaten als auf die Zinspolitik der FED achten werden, sorgten diese deutlich schlechter als erwarteten Zahlen aus dem Einzelhandel für Frühlingsgefühle der Bären: womöglich haben diese nun keine Lust mehr auf Winterschlaf.

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes?

Hier wiegen 0,01 Cent schwerer als im Portemonnaie

Auch in vielen der zuletzt von Momentum Tradern entdeckten Aktien aus den Bereichen Goldminen und Stahl sehen wir nun dieses klassische Verkaufssignal aus der Dow-Theorie in ihren Charts. 

Aktien aus den Bereichen Stahl und Gold gehörten gestern zu den größten Verlierern: Steel Dynamics (STLD) verlor 6,3 % und fiel bei hohem Handelsvolumen deutlich unter das letzte Zwischentief vom 12. Dezember. Nucor (NUE) verlor gestern über 9 %. Der Stahl Konzern gab gestern eine Gewinnwarnung für das 4. Quartal heraus, bestätigte aber die Gewinnziele für das volle Geschäftsjahr. 

Der ETF für Goldminen (GDX) zeigt nun leider auch dieses Verkaufssignal aus der Dow-Theorie auf. Während Goldminenaktien wie Agnico-Eagle Mines (AEM), B2Gold (BTG) oder Barrick Gold (GOLD) sich noch über ihren Zwischentiefs halten können, sehen wir bei Hecla Mining (HL), Yamana Gold (AUY) oder Coeur Mining (CDE) ein Unterschreiten dieser Unterstützungsmarken. Yamana Gold unterschritt das am 12. Dezember bei 5,42 $ erreichte Zwischentief per Tagesschlusskurs um 0,01 Cent. Diese Zwischentiefs werden vom Markt beachtet, darum wiegen 0,01 Cent hier schwerer als im Portemonnaie. 

Swing Trades nur kurz halten

Natürlich sind solche Aktien, die nun solche Muster im Chart aufzeigen, ein bisschen überverkauft. Swing Trades könnten sich evtl. sogar lohnen; aber man sollte diese nicht zwecks Spekulation auf Trendfortsetzung verlängern. Alternativ böte sich nach einem Up-Swing ein Short-Einstieg an.

Wo ist nun noch Trendfortsetzung möglich ?

Dennoch gibt es Branchen, in denen wir vermehrt Aktien sehen, die die letzten Zwischentiefs nicht unterschritten haben. Für diese Branchen vergeben wir heute sogar Entry Stempel: Healthcare (XLY), Transport (IYT) und Medizinische Geräte (IHI) und – tatsächlich: Halbleiter. Sollte sich die relative Stärke von Aktien aus dem Halbleiterbereich gegenüber Aktien aus dem Bereich Stahl und zyklische Industrie in den nächsten Wochen verfestigen, dann würde das gemäß Risk-On / Risk Off Logik sogar einen Trendwechsel vom Bären- in einen Bullenmarkt einläuten. Gegenwind kommt für diese These aktuell aber von den Analysten von Goldman Sachs, die vor einem drohenden Überangebot für Speicherchips und damit vor zu erhöhten Lagerbeständen warnen. Sollte sich das im 1. Quartal bewahrheiten, dann dürften vor allem Chip Produzenten wie Intel (INTC) oder Advanced Micro Devices (AMD) darunter leiden.

Transportsektor bleibt kaufbar

Schauen wir noch einmal auf den Transport-Sektor, nachdem wir gestern im Marktradar auf Unternehmen aus dem Bereich Seetransport geschaut haben. 

Vorab ein Nachtrag zu meiner Kolumne von gestern: Der entsprechende ETF für Unternehmen aus der Schifffahrt (BOAT) ist einer der wenigen, die für heute den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” erhalten (neben Healthcare, Pharma, Hausbau sowie Windkraft und China-Tech). Allerdings sind die in dem Schiffs-ETF BOAT hoch gewichteten Aktien meist in den USA nicht handelbar, weil sie an Börsen in Japan, Hongkong, Südkorea, Dänemark oder Norwegen gelistet sind. 

Der ETF für Aktien aus dem Transportwesen (IYT) legt seinen Schwerpunkt auf Aktien aus den USA. Mit jeweils 18 % Gewichtung repräsentieren die Aktien von Union Pacific (UNP) und United Parcel Services (UPS) bereits mehr als ein Drittel des im ETF enthaltenen Aktien Universums.

United Parcel Services oder Union Pacific: Wo wird mehr verdient ?

Beide Aktien können sich über den letzten Zwischentiefs halten. UPS wird aktuell mit einem KGV von etwas unter 14 bewertet. Die Analysten erwarten für UPS bis 2024 kein nennenswertes Wachstum, so dass für 2024 auch nur ein KGV von ca. 14 erwartet wird. Historisch pendelte das KGV für United Parcel Services meist zwischen 17 und 30, so dass die Aktie für Value-Investoren sicherlich auf dem aktuellen Kursniveau interessant ist.

Union Pacific erscheint hingegen eher moderat bis leicht unter dem fairen Wert bewertet. Aktuell wird die Aktie mit einem KGV von 18 bewertet. Im Unterschied zu UPS wird aber ein gewisses Wachstum erwartet, so dass das KGV bis 2024 laut Analystenschätzungen auf 16 fallen soll. Historisch wurde die Aktie meist zwischen 10 und 24 bewertet, so dass eine Unterbewertung weniger stark auffällt wie bei der UPS Aktie. Von Qualitätsmaßstäben her ist Union Pacific langfristig aber wohl die bessere Aktie.

Ein 27 % Up Gap wurde nicht geschlossen

Aus dem vom Marktradar weiterhin kaufenswert betrachteten Bereich Healthcare / Pharma ist mir nun die Aktie von Medpace (MEDP; Marktkapitalisierung: ca. 6,5 Mrd $) ins Auge gefallen. Das Unternehmen ist ein Dienstleister für die Biotech- und Pharmaindustrie. Es bietet Lösungen und effiziente Anwendungen für den klinischen Entwicklungsprozess von Phase I bis Phase IV in verschiedenen therapeutischen Bereichen an. Die am 24. Oktober veröffentlichten Quartalszahlen verschafften der Aktie am Earning Day ein Up-Gap von 27 %. Seitdem konsolidiert die Aktie oberhalb des Gaps. Im Chart dürfte die 200er Marke eine Unterstützung darstellen, an der “starke Hände” nur darauf warten, nachkaufen zu können. Ich bin gestern mit einer ersten Position in die Aktie eingestiegen. 

Wer Momentum sucht, wurde auch gestern fündig

In Zeiten fallender Kurse sollten Trader darauf achten, welche Aktien ohne News und bei dennoch erhöhtem Handelsvolumen neue Hochs erreichen. Hier fiel mir gestern eine Aktie aus dem Bereich Software, genauer: Unternehmenssoftware auf. Das Unternehmen Model N (MODN; Marktkapitalisierung: 1,6 Mrd. $) bietet für Unternehmen Sparmöglichkeiten und Effizienzsteigerungen im Cloud-Bereich an. Es ist vor allem für Unternehmen aus den Bereichen Biotechnologie und Hightech tätig. U. a. soll der Preisverfall von Produkten im Internet minimiert werden können. Eine Dienstleistung, die in Zeiten wieder abnehmender Inflation und womöglich zunehmender Rezession, also Stagflation, sicherlich nachgefragt werden wird. Die aktuelle Entwicklung der Aktie scheint diese Nachfrage vorwegzunehmen. 

Fundamental ist die Aktie kein Schnäppchen mehr: Das Unternehmen schaffte in diesem Jahr den unternehmerischen Turnaround. Aktuell wird Model N mit einem KGV von beinahe 60 und einem KUV von über 6 bewertet. Das erwartete Gewinnwachstum bis 2023 liegt bei 10 %. Von 2023 bis 2024 soll dann ein Gewinnwachstum von 20 % möglich werden. Eine interessante Aktie für Momentum Trader – sofern es davon noch welche in den nächsten Wochen und Monaten geben wird.

Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.