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Marktradar vom 23. Dezember 2022

Marktradar vom Freitag, 23. Dezember 2022 von Stefan Pröhl

Marktradar für Freitag, 23. Dezember 2022

 

Eine Tagesendrallye schafft noch keine Jahresendrallye

 

Gestern gegen 19:30 Uhr deutscher Zeit erreichte der SPY sein Tagestief bei 374,86 $. Danach kam es zu einer Tagesendrallye, die den SPY über 380 $ per Tagesschluss steigen ließ. Die von der CBOE gemessene Put Call Ratio zeigte zum Tagestiefpunkt mit 1,34 den höchsten Wert des Tages an. Bis zum Tagesschluss hielt sich die Put Call Ratio mit über 1,26 auf hohem Niveau, sodass wir schlussfolgern können, dass die Marktteilnehmer sich abermals während steigender Kurse mit Puts absicherten. Vertrauen in weiter steigende Kurse ist aktuell also nicht vorhanden. Diese Absicherungen mit Put-Optionen waren keiner Panik geschuldet, obwohl die implizite Volatilität endlich mal wieder stieg. Die Händler wussten am Donnerstag nach 19:30 Uhr genau, was sie tun, und wurden nicht genötigt, etwas tun zu müssen.

 

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?

Sell Off Warnungen steigen

Bei den Tagesstempeln gibt es für heute ausschließlich Abstufungen – keine einzige Hochstufung kann gesichtet werden. Auf den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren” abgestuft werden heute die Gesundheitsdienstleister (IHF), Logistik und Transport (IYT), Beteiligungsgesellschaften (PSP), Holz- und Forstwirtschaft (WOOD) sowie Real Estate (XLRE). Bereits mit diesem bärischen Tagesstempel versehen wurden in den Tagen zuvor neben allen von Cathy Wood betreuten Themen-ETFs die Branchen Cybersecurity, Gaming und Sport, Regionalbanken, Lithium, Cannabis, Clean Energy, Software, Technologie, Internet, Telekommunikation, REITs für Digitale Infrastruktur, Biotechnologie, Zyklische Konsumgüter und Einzelhandel sowie die Ölproduzenten.

Von 56 beobachteten Themen und Branchen erhalten 26 den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren”, also schon knapp 50 %. 

Immerhin 8 Branchen erhalten aktuell noch den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”: Gold- und Silberminen, Schifffahrt, Stahl, Pharma, Social Media, China-Internet ADRs sowie die Öl- und Gasdienstleister.

Neben META steigen auch andere Social Media Aktien

Die relative Stärke in der Social Media Branche ist nicht nur Meta Platforms (META) geschuldet. Die Aktie von META hält sich unter den US-Big Techs aktuell vergleichsweise gut und ist im entsprechenden ETF mit etwa 8 % gewichtet. Aber META ist nur die zweitgrößte Position im SOCL ETF. Mit 13 % ist die in Hongkong gelistete Aktie Tencent (WKN: A0YHL8 / NNN1) am höchsten gewichtet. Der ETF wird von Aktien aus Asien dominiert. Weitere, mit mehr als 5 % Gewichtung im ETF vertretene Aktien sind aus Südkorea die beiden Aktien Naver und Kakao, aus China und Hongkong sind es Baidu und Kuaishou, aus Japan hält der ETF die Aktie von Nexon. Neben META ist aus den USA im SOCL ETF nur noch Snap (SNAP) als in den USA beheimatetes Unternehmen höher als 5 % gewichtet.

Der Ölpreis vor charttechnischen Widerständen

Schauen wir uns den Bereich Öl etwas genauer an:

Der März-Future Kontrakt für Brent-Oil (CL) konnte seit dem Tief am 12. Dezember über 10 % steigen. Zwischen 78 und 79 $ hat sich eine horizontale Widerstandszone im Future gebildet. Der 50er gleitende Durchschnitt notiert aktuell knapp darüber bei 80 $. Solange der Future nicht über 80 $ steigt, würde ich bärische Manöver in Ölaktien weiterhin bevorzugen.

Aber Ölaktie ist nicht gleich Ölaktie !

Öl- und Gasdienstleister wie Halliburton (HAL) oder Schlumberger (SLB) notieren bereits seit dem 13. Dezember über dem 50er gleitenden Durchschnitt – diese Aktien konnten also, während der Ölfuture sein aktuell markantes Tief fand, bereits wieder steigen. Die Charts dieser beiden Aktien sehen recht konstruktiv aus – das Anlaufen von neuen Hochs scheint mir im Bereich des Möglichen zu liegen. Leerverkaufen würde ich diese Big-Player unter den Öl-Dienstleistern aktuell nicht.

Anders sieht es mit den Ölproduzenten aus – was der Marktradar aktuell ja auch gut erkennt. 

Exxon Mobil (XOM) notiert wie der Öl Future unterhalb des 50er Gleitenden Durchschnitts und bildet den Öl-Future in etwa ab – allerdings mit deutlich geringerer Schwankungsbreite.

Zum Leerverkaufen geeignet halte ich beispielsweise Devon Energy (DVN). Devon Energy hat eine Marktkapitalisierung von 40 Mrd. $ und ist vorwiegend als Ölproduzent tätig. Devon beutet in den USA über 5000 Bohrlöcher aus. Die Aktie befindet sich bereits in einem etablierten Bärenmodus, notiert etwa 10 % unter dem 50er Gleitenden Durschschnitt und dürfte – sofern der Öl Future die 80 $ nicht überwindet – in den nächsten Wochen weitere neue tiefere Tiefs im Chart ausbilden.

Auch eine Aktie wie Marathon Oil (MRO; Marktkapitalisierung: ca. 17 Mrd. $), die während der Öl-Haussee in diesem Jahr zu den am stärksten gepushten Aktien gehörte, notiert bereits etwa 10 % unter dem 50er Gleitenden Durchschnitt. Marathon Oil produziert neben Öl auch Erdgas. Die Aktie hat gestern das Zwischentief vom 9. Dezember getestet. Für mich ist die Aktie ein Kandidat für einen Dynamic Breakdown Attack, der in Kürze anstehen könnte.

Die am meisten hoch gepushten Aktien während einer Haussee gehören oft dann, wenn die Euphorie “auf den Boden des Normalen zurückkehrt” zu den Aktien, die für längere Zeit keinen Boden finden werden. Marathon Oil könnte zu einem dieser “Fallen Angels” werden, die auch dann weiter fallen, wenn die Bewertungen dieses nicht mehr rechtfertigen. Abwärtstrends bei Fallen Angels halten eben oft länger an, als es fundamental gerechtfertigt wäre. Je höher die Freude, desto stärker das Leid danach. Fast jeder, der an der Börse ist, hat dieses “Achterbahngefühl” in der ein oder anderen Form schon mal erlebt.

 

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