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Marktradar vom 29. Dezember 2022

Marktradar vom Donnerstag, 29. Dezember 2022 von Stefan Pröhl

Marktradar für Donnerstag, 29. Dezember 2022

 

Turtle Signale im Nasdaq 100 und im Russell 2000

Gestern haben der Nasdaq 100 (QQQ) und der Russell 2000 (IWM) die Tiefs vom 22. Dezember unterschritten. Da das letzte 20 Tage Tief exakt 3 Handelstage zurückliegt, finden Freunde der Turtle Strategie nun ein klassisches Short Signal vor. 

Wer eher antizyklisch als prozyklisch agiert, könnte gemäß der Turtle Soap Plus Strategie zur Markteröffnung heute im QQQ eine Stopp-Buy Order bei 262,45 $ platzieren und im IWM eine Stopp-Buy-Order bei 170,67 $. 

Alternativ wäre auch der von mir in einem Vortrag in diesem Jahr vorgeschlagene Smart Turtle Einstieg möglich. Wir hängen dann eine eng platzierte Stopp-Buy-Loss Order an die Short-Market Order zur Eröffnung dran und platzieren zugleich eine Stopp-Buy Order knapp über der Stopp-Buy-Loss Order, um dann – falls der Markt nach oben dreht – intraday den Richtungswechsel zu vollziehen.

Bei der Smart Turtle Order lassen wir somit den Markt entscheiden, ob wir am Freitag Long oder Short positioniert sind.

Für den S&P 500 (SPY) gilt das Turtle Short Signal nicht, weil er das Tief vom 22. Dezember gestern nicht per Tagesschluss unterschritten hat – auch intraday blieb das Tief vom 22. Dezember unberührt. 

Gestern fiel mir wieder die Put Call Ratio auf, die von der Optionsbörse CBOE täglich halbstündlich gemessen wird. Um die Mittagszeit wurden wieder massiv Puts auf Aktien- und ETF-Optionen aufgesetzt. Da aktuell wohl mehr Privathändler als institutionelle Händler am Markt agieren, kann man daraus schließen, dass sich private Trader weiterhin mit Put Optionen abhedgen bzw. sich gewollt auf der Short-Seite positionieren. Eigentlich verwende ich diese Daten als Kontraindikator. Da aktuell aber keine Panik herrscht, macht es keinen Sinn, diese als Kontraindikator zu nutzen. Der UVXY ETF schloss gestern sogar im Minus, was allerdings auch dem starken Contango in der VIX-Terminstrukturkurve, das zwischen dem Januar und Februar Future im VIX aktuell zu beobachten ist, geschuldet ist.

Wegscheide voraus

Dass wir nun an einer Wegscheide für die nächsten Wochen und vielleicht Monate stehen, dürfte aber nicht nur den Turtle Tradern klar sein. Immerhin steht der Jahreswechsel an. Da ist das Vorhaben, neue Wege zu gehen, ja sowieso in aller Munde. Wenn nicht jetzt, wann dann ?

Klar ! Nach dem 6. Januar sind viele Vorhaben, die noch Silvester laut raus posaunt wurden, längst passé. Das kennen wir alle. Sollte die Börse auch so vergesslich agieren, dann wäre das für Trendfolger wie die Turtles natürlich Gift. Trends bleiben nur bestehen, wenn sie niemand vergisst und der Trend es versteht, sich in Erinnerung zu rufen: seht her: ich bin noch da! Seit Mitte Dezember praktizieren die Bären das täglich – zumindest in den USA.

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes?

18,30 % Dividendenrendite für Aktien aus der Branche Schifffahrt

In dem gestern im Marktradar erwähnten ETF BOAT, der global in Aktien aus der Schifffahrt investiert, kam es gestern zu einer Dividendenausschüttung. Da für dieses Jahr in dem ETF wegen der Kursverluste in Aktien wie Costamare (CMRE), A.P. Moeller-Maersk (WKN: 861837), Matson (MATX), Global Ship Lease (GSL) oder der deutschen Hapag-Lloyd (WKN: HLAG47) aktuell eine Dividendenrendite von imposanten 18,3 % berechnet werden kann, zeigte mir der gestern noch nicht um die Dividenden bereinigte Chart ein falsches Bild. Inzwischen hat mein Chartanbieter die Dividendenbereinigung vollzogen, so dass nun wieder das richtige Bild – das ja mehr als 1000 Worte sagen soll – erkennbar ist. Statt für gestern vergeben wir nun für heute den Entry Stempel für Schifffahrtsaktien auf der Long Seite. 

Der ETF BOAT schloss gestern nur 0,01 $ über dem Zwischentief vom 19. Dezember, so dass der Entry Stempel für einen Swing Long Einstieg in diesen Aktien auf “dünnem Eis” verläuft. Da die meisten beobachteten Branchen noch über dem in der Vorwoche erreichten Zwischentief notieren, gehören Schifffahrtsaktien aktuell zu den Underperformern im Aktienmarkt. Wegen einer bereits in der Bewertung eingepreisten schweren “Weltrezession” halte ich das Down-Potential in diesen Aktien aber für eher gering.

Hapag Lloyd mit 95 % Gewinnrückgang in den nächsten zwei Jahren ?

Ich habe mir heute die Aktie von Hapag-Lloyd etwas genauer angesehen. Die Aktie notierte gestern per Tagesschluss mehr als 3 % über dem Zwischentief der Vorwoche, zeigt also eine gewisse relative Stärke zu den anderen Aktien im BOAT ETF. Das könnte an dem Europa-Bonus liegen: Die Region Europa präsentiert sich im Unterschied zu den USA charttechnisch weiterhin in kaufbaren Zonen (dazu unten gleich noch mehr). Sollte Hapag-Lloyd nicht unter 180 EUR fallen, dann dürfte in Kürze die 200er Marke überwunden werden. Wie auch A.P. Moeller-Maersk erwartet Hapag Lloyd einen kräftigen Abstieg bei der Umsatzentwicklung. Von 2022 bis 2024 sollen sich die Umsatzraten in etwa halbieren. Der Gewinn pro Aktie soll dramatisch von 97,49 auf 5,29 zurückgehen. Das wären fast 95 % Gewinnrückgang ! Für 2022 soll Hapag Lloyd mit einem KGV von 2 bewertet werden. Bis 2024 soll das KGV dann entsprechend der düsteren Schätzungen auf 35 steigen.

Wer glaubt, dass die Lage in der Containerschifffahrt in den nächsten zwei Jahren nicht so dramatisch schlecht verläuft wie laut den offiziell zugänglichen Schätzungen erwartet, der findet auch in Hapag Lloyd eine interessante Wette auf ein Ausbleiben oder zumindest einen milden Ablauf der sich uns nähernden Weltrezession. 

JPMorgan macht etwas besser als andere Banken

Noch ein Blick auf die Top / Down Liste von gestern: 

Gewinner waren gestern die Banken. Und damit sind mehrheitlich die Großbanken und nicht die Regionalbanken gemeint. Die Bank of America (BAC), JPMorgan Chase & Co. (JPM), die Citigroup (C) und auch Wells-Fargo (WFC) schlossen allesamt im Plus und auch über dem Eröffnungskurs. Dennoch sieht das Chartbild weiterhin für diese Werte ziemlich furchteinflößend aus: In allen vier Bankaktien sehen wir bärische Flaggen wie aus dem Lehrbuch. Auch die Hinzuziehung des Handelsvolumens bei der Chartanalyse kann eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass fallende Kurse in den nächsten Wochen in diesen vier Bankaktien wahrscheinlicher sind als steigende Kurse. JPMorgan Chase & Co. grenzt sich von den anderen drei Banken insofern etwas ab, weil sie sich als einzige noch über dem 200er Gleitenden Durchschnitt halten kann. Wenn wir Banken leerverkaufen möchten, dann sollten wir vielleicht JPMorgan & Chase dabei außen vor lassen.

Rohstoffe gestern auf breiter Front unter Druck

Verlierer waren gestern Aktien aus allen Rohstoffklassen. Am heftigsten traf es die Branche Kohle. Aber auch Aktien aus dem Bereich Gold- und Silberminen, Stahl und Aluminium, Uran sowie Öl und Gas waren betroffen. Aktien aus dem Bereich Uran sowie die Öl- und Gasproduzenten werden für heute mit dem Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren” abgestuft. Im Widerspruch dazu steht aber, dass sowohl der ETF für Öl (USO) als auch der Future mit Verfall März (CL) für heute hochgestuft werden. Für beide wird jetzt der Tagesstempel “Bodenbildung oder Seitwärts” vergeben, wobei für den Öl-Future vom Marktradar nun zusätzlich eine Swing Long Chance angezeigt wird. Solche Ambivalenzen gehören beim Trading zum Alltag. Entscheidend ist, wie wir diese interpretieren.

Regionen ex-USA mit Favoritenwechseln

In den sogenannten Schwellenländern gibt es aktuell einige Verschiebungen zu beobachten, die mitunter mit überraschenden Favoritenwechseln einhergehen. Daher möchte ich heute detaillierter auf diese eingehen.

So wird Indien (für viele ein Land mit großer Zukunft an der Börse) für heute mit dem Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren” abgestuft. Der entsprechende ETF INDA hat seit Jahresbeginn ca. 9 % verloren. Seit dem 1. Dezember etabliert sich im indischen Aktienmarkt ein Abwärtstrend mit tieferen Tiefs und tieferen Hochs. Die Abstufung im Marktradar korrespondiert mit der Charttechnik für den ETF INDA insofern, weil bereits am 15. Dezember eine Schulter-Kopf-Schulter Formation nach unten verlassen wurde.

Ebenso ist Vietnam (VNM) inzwischen auf “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren” abgestuft worden. Da die Erholungsbewegung im ETF – die wir für die Zeit vom 16. November bis zum 5. Dezember verorten – von höherem Handelsvolumen begleitet gewesen ist als die aktuelle Abwärtsbewegung – die sich im ETF seit dem 5. Dezember vollzieht – könnte die aktuelle Korrektur evtl. nicht zu einem Testen des markanten Tiefs vom 15. November führen. Hier würde ich also eher den Schwerpunkt auf “Abwarten” und nicht auf “Sell Off” legen.

Japan (EWJ) erhält noch den Tagesstempel “Buy the dip”. Ich würde hier aber von Long Einstiegen abraten. Denn der entsprechende ETF für Japan hat gestern das Zwischentief vom 22. Dezember unterschritten, so dass hier nun ein prozyklisches Turtle Short Signal – wie auch im Nasdaq 100 oder im Russell 2000 – vorliegt.

Noch schwächer als Japan präsentiert sich momentan Taiwan (EWT). Auch hier wurde gestern das Zwischentief vom 22. Dezember unterschritten. Die Region Taiwan wird für heute auf “Unter Beobachtung” abgestuft.

Ganz anders dagegen Thailand (THD). Hier notiert der Chart nah an dem Zwischenhoch vom 13. Dezember und die Chancen stehen ganz gut, dass der thailändische Aktienmarkt mittelfristig weiter nach oben läuft. Entsprechend zu diesen Aussichten vergeben wir für Thailand den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”. Mausert sich Thailand nun zum Favoriten in 2023 für die Börse in der Region Südostasien ?  

Aufstufungen sehen wir in Ländern aus Lateinamerika. 

In Argentinien (ARGT) kennt die Börse nach dem WM-Sieg der argentinischen Fussballmannschaft in Katar kein Halten mehr. Das Endspiel war am 18. Dezember und seit Montag, 19. Dezember läuft die argentinische Börse wie von Euphorie gepusht nach oben. Ob es einen anderen Grund für diesen Schub nach oben als den sportlichen Erfolg bei der Fußball WM gibt, kann ich von hier aus jetzt nicht beurteilen. 

Auch für die Regionen Chile, Peru, Brasilien und Kolumbien gab es zuletzt Aufstufungen bei den Tagesstempeln. So erhält Brasilien ab heute wieder den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” und Kolumbien – ein zuletzt auffallend schwacher Aktienmarkt, der seit Anfang April fast 40 % verloren hat – wird immerhin auf “Bodenbildung oder Seitwärts” hochgestuft.

Europa bleibt weiter kaufbar

Für die Region Europa werden heute zahlreiche Entry Stempel für die Long Seite vergeben, d. h. es finden sich Swing Set-Ups für den Kauf von Aktien. Darunter fallen unter anderem Deutschland (EWG), Italien (EWI), Belgien (EWK), Großbritannien (EWU) und Polen (EPOL).

Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.