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Marktradar vom 11. Januar 2023

Marktradar vom Mittwoch, 11. Januar 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Mittwoch, 11. Januar 2023

 

Von Hoch zu Hoch, von Tief zu Tief – Börse kann so einfach sein !

Der übergeordnete Trend im S&P 500 ist weiterhin abwärts gerichtet. Das sehen wir besonders eindrucksvoll, wenn wir uns den S&P 500 im Wochenchart statt im Tageschart ansehen. Auf tiefere Hochs folgten tiefere Hochs. Auf tiefere Tiefs folgten tiefere Tiefs. Der ETF auf den S&P 500 müsste nachhaltig über 408 Punkte steigen, um das letztere tiefere Hoch nach oben zu verlassen – zum Schlusskurs gestern (390,58 $) benötigen die Bullen jetzt also noch etwa 4,5 %, um den Bären den “Gnadenschuss” zu versetzen.

Und wie sieht es im ETF für den Euro Stoxx 50 (FEZ) aus ? Da sind die Bären seit dem 9. November kein Thema mehr. An diesem Tag wurde das letzte tiefere Hoch im Wochenchart überwunden und die Bären damit erlegt.

Spannend wird es nun im ETF für die Emerging Markets (EEM). Evtl. erfolgt dort am Freitag per Schlusskurs der Gnadenschuss für die Bären. Den letzten tieferen Hochpunkt verorten wir im EEM bei 40,58 $, der am 11. August erreicht wurde. Gestern schloss der EEM erstmals per Tagesschluss darüber (40,66 $).

Börse kann so einfach sein !

Das wusste Charles Dow bereits um 1900, als er seine Editorials für das Wall Street Journal schrieb, um damit die Grundlagen für die Technische Analyse, wie wir sie heute kennen, zu schaffen. Seitdem achten wir auf Hochs und Tiefs, die selbst mal höher und mal tiefer liegen können.

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?

Wer eine Coca-Cola trinkt muss abends die Zähne putzen 

Gestern fiel mir die relative Stärke der zyklischen Konsumgüter (XLY) gegenüber den Basiskonsumgütern (XLP) ins Auge. Der ETF für die Basiskonsumgüter, der Aktien wie Coca-Cola (KO) oder Colgate (CL) enthält, verlor gestern 0,13 %. Der ETF für Nichtbasiskonsumgüter, der Aktien wie Tesla (TSLA) oder Nike (NKE) enthält, gewann gestern 1,26 %. Bisher hat sich die Schere eher zugunsten von Coca-Cola und Colgate geöffnet. Sollten wir hier eine Verschiebung in der Risk-On (XLY) / Risk Off (XLP) Logik zugunsten von XLY (Nike und Tesla) sehen, dann wäre das ein bullisches Zeichen für den Gesamtmarkt. Aber noch vergeben wir für XLP den Tagesstempel “Buy the dip” und für XLY den Tagesstempel “Unter Beobachtung”. Ein Wechsel des Vorläufers ist aktuell also erst im Frühstadium zu erkennen. Aber genau um das früh sehen zu können, schreibe ich ja den Marktradar !

Der ETF XLP hat übrigens zuletzt ein tieferes Tief ausgebildet. Damit scheinen Swing-Einstiege auf der Long Seite nicht ratsam zu sein. Ein zuletzt tieferes Tief zieht während eines Rücksetzers eher ein weiteres tieferes Tief nach sich als ein höheres Tief, welches eine schnellere Beendigung der Abwärtsbewegung begünstigt.

In der Aktie von Coca-Cola hat sich übrigens zuletzt ein tieferes Tief ausgebildet. In der Aktie von Colgate hingegen ein höheres Tief. Aktuell könnte damit das Motto: “Mehr Zähneputzen, dafür weniger Softdrinks konsumieren” zumindest auch für Börsianer gelten, wenn sie die Wahl zwischen einem Kauf von Coca-Cola oder Colgate Aktien hätten.

Bärische Flagge in Öl

Im Öl-Future (CL) mit März-Verfall sehen wir eine bärische Flagge. Wir vergeben für diesen Future für heute einen Entry Stempel auf der Short-Seite. Ähnliche Flaggen sehen wir aktuell in den Charts von Marathon Oil (MRO) oder Devon Energy (DVN). In den Aktien von beiden Ölproduzenten sehen wir zudem einen Hammer unter einem Zwischenhoch. Solche in der Luft liegenden Hämmer laden mich gern zum Shorten ein, möglich wäre für einen Einstieg die Setzung einer Stopp-Sell Order unter dem Tief des Hammers.

Burggraben Aktie mit schlechten News

Dann fiel mir gestern noch, als ich nach Umkehrmanövern scannte, die Aktie von Illumina (ILMN) auf. Ich sage es aber gleich: die Chance auf eine schnelle Umkehr ist bei dieser Aktie wegen schlechter News momentan wohl nicht gegeben. Trotzdem ist die Aktie für Käufer nun interessant. Warum das ?

Illumina stellt Geräte für Labore her, die die Gentechnik für Forschung und beispielsweise Arzneimittelherstellung nutzen. 2007 übernahm Illumina die Firma Solexa und konnte von da an sukzessiv gegenüber der Konkurrenz punkten und einen Burggraben bei der Sequenzierung von Genen aufbauen. Der Marktanteil der Sequenzierungsautomaten, die Illumina herstellt, wird auf 80 % geschätzt. Da wundert es nicht, dass die Europäische Union eine Übernahme der auf Krebsforschung spezialisierten Firma Grail als äußerst bedenklich eingestuft hat, eben weil kartellrechtliche Bedenken aufkommen: eine Art Monopolstellung für Gentests in der Krebsforschung soll verhindert werden. Illumina hat die Übernahme trotzdem vollzogen. Die EU fordert nun Illumina auf, Grail als separate Einheit und nicht als integrierten Bestandteil der eigenen Unternehmensstruktur einzuverleiben. Der Rechtsstreit mit der EU dauert an und Analysten sehen die EU am längeren Hebel sitzen. 

Am Montag hatte Illumina während einer von JPMorgan initiierten Gesundheitskonferenz eingeräumt, dass der Umsatz in 2023 statt 10 % nur 7 – 10 % wachsen soll. Noch mehr verschreckte die Anleger, dass die Gewinnprognose für 2023 nun statt bei 3 $ pro Aktie auf 1,50 $ pro Aktie halbiert wird. Die Aktie eröffnete am Dienstag mit einem Down-Gap von über 10 %, beendete den Handel aber mit einem Tagesverlust von nur noch 6,2 %. Dass die Aktie wieder unter die 200er Marke gefallen ist – die doch am 29. Dezember erst zurück erobert werden konnte – ist sicherlich ein charttechnischer Rückfall. 

Anleger mit Weitblick und einem gewissen Faible für Value-Aktien sollten sich diese Burggraben Aktie nun aber auf die Watchlist legen: Zwar wird das 2023er KGV nun von etwa 60 auf 120 steigen, was temporär auf keine günstige Bewertung mehr hinweist. Illumina wurde von 2016 bis zu Beginn der Corona Pandemie mit KGVs von um die 60 bewertet. Langfristig dürfte Illumina der Burggraben, den sich das Unternehmen bei der Sequenzierung von Genen geschaffen hat, von der Konkurrenz nicht abstreitig gemacht werden. Die temporären Probleme, die von Analysten auch auf den Fachkräftemangel in den Laboren zurückgeführt werden, sollten für Langfristanleger ein Grund sein, sich hier zur Lauer zu legen. Burggraben Aktien sind immer dann besonders interessant, wenn sie temporär in Schieflage geraten.

Kurzfristig muss allerdings befürchtet werden, dass die 200er Marke im Chart von Illumina nun erst einmal als Widerstand fungiert.

Indien und Vietnam nun mit antizyklischen Kaufchancen ?

Die ETFs von Indien (INDA) und Vietnam (VNM) haben am Dienstag jeweils ein höheres Tief ausgebildet. Mit einem Stopp-Loss knapp darunter könnte nun darauf spekuliert werden, dass die aufkommende Trendstärke in den Weltmärkten nun auch wieder auf Indien und Vietnam über schwappt, deren Aktienmärkte sich zuletzt von der schwachen Seite zeigten. 

Immerhin werden Indien und Vietnam von Analyten und Ökonomen als besonders aufstrebende Länder eingestuft.

 

Hinweis:
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