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Marktradar vom 6. März 2023

Marktradar vom Montag, 6. März 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Montag, 6. März 2023

Mittwoch noch brüllender Bär, Freitag schnaufender Bulle

Die US-Aktienmärkte zeigten am Freitag eine erstaunliche Stärke auf der Käuferseite. Außerdem beobachteten wir eine deutlich abnehmende implizite Volatilität.

Die von der Chicago Board Option Exchange (CBOE) gemessene Put-Call Ratio sank zur Handelseröffnung auf einen Wert unter 0,60. Damit wurde ein Schwellenwert unterschritten, was in Zeiten hoher Risikobereitschaft eine mögliche kurzfristige Umkehr, also fallende Kurse, erwarten lässt. Bekanntlich ist das Gegenteil passiert.

Da das Sentiment der Privatanleger laut der von der American Association of Individual Investors (AAII) veröffentlichten Umfrageergebnisse, die am Donnerstag vorbörslich gemeldet wurden, eher bärisch einzustufen war, haben wir mit der Eröffnung am Donnerstag womöglich eine Übertreibung auf der Verkäuferseite verlassen. Die Bären wären also bereits am Donnerstag zur Eröffnung gut beraten gewesen, in das Bullenlager zu wechseln. 

Die am Freitag zu Handelsbeginn massiv gekauften Call-Optionen lassen nun den Schluß zu, dass diejenigen Privatanleger, die am Donnerstag noch gezaudert hatten, das Bärenfell abzulegen, am Freitag zur Eröffnung bereits mit Bullenhörnern ausgestattet waren.

Es soll ja Börsianer geben, die den Wankelmut als eine Form des Mutes ansehen und nicht als eine Form des Zauderns. Wer im Lager der Mutigen ist, wäre jederzeit bereit, die Richtung zu wechseln. Womöglich sahen wir diese Form des Mutes am Freitag zur Handelseröffnung: Mittwoch noch brüllender Bär, Freitag schnaufender Bulle. Wer so wagemutig traden kann, ohne sich selbst zu verbiegen, der dürfte eine recht erfolgreiche Handelswoche durchlebt haben. 

Neue Sicherheitsnetze im S&P 500 und im Nasdaq 100

Wer sich jetzt im Bullenlager aufhält, der sollte darauf achten, dass die Tiefs vom Donnerstag im S&P 500 (SPY) und im Nasdaq 100 (QQQ) nicht mehr unterschritten werden. Im SPY liegt das neue Sicherheitsnetz bei 392,33 US-Dollar, im QQQ bei 288,37 US-Dollar aus.

Russell 2000 ab nun mit etwas mehr Schwung ?

Ein bisschen anders präsentiert sich der Russell 2000 (IWM). Dort sahen wir am Donnerstag zur Handelseröffnung keine Unterschreitung des letzten Zwischentiefs. Das Tief vom Donnerstag könnte sich nun als ein höheres Tief entpuppen. Damit sollte der Russell 2000 in den nächsten Handelstagen mehr Schwung nach oben entwickeln als der S&P 500 und der Nasdaq 100. 

Gemäß Risk-On / Risk-Off-Logik dürfte das die Risikobereitschaft der Anleger noch ein bisschen anheizen.

Was sehen wir unter dem Radar der großen Aktienindizes ?

Noch sehen wir nur in wenigen Branchen-ETFs höhere Tiefs. 

Schifffahrt und Baltic Dry Index koppeln sich ab

Aktuell verorten wir höhere Tiefs zum Einen im Bereich Schifffahrt (BOAT). Dieser ETF hat sich von allen anderen Branchen-ETFs, die ich beobachte, abgekoppelt. Seit Ende Januar sehen wir in diesem ETF, in dem an der Wall Street gelistete Unternehmen allerdings untergewichtet sind, kontinuierlich steigende Börsenkurse. Wie übrigens auch im Baltic Dry Index (BDRY), der Frachtraten im Schiffsverkehr abbildet. Dieser ETF setzte allerdings etwas verzögert erst Mitte Februar zur Rallye an.

Entwickeln sich Anlagenbauer und Ölproduzenten zu einem neuen „Dream-Team“ ?

Höhere Tiefs sehen wir zum anderen im ETF für Aktien aus dem Bereich Industrie (XLI). Außerdem in ETFs, die Aktien aus dem Öl- und Gasgeschäft abbilden. Es sieht so aus, als ob sich Öl- und Gas-Aktien mehr und mehr in die Entwicklung von Aktien aus der Old Economy wie Baustoffe, Stahl, Maschinenbau einfädeln wollen: Wenn die Bautätigkeit im Anlagenbau brummt, dann wird auch der Verbrauch fossiler Energie zunehmen. So ganz weit hergeholt scheint diese neue Korrelation zwischen Energie und Anlagenbau nicht zu sein. Temporär könnten beide Sektoren nun ein “Dream-Team” bilden und dabei den Chemie-Sektor mitziehen.

Schauen wir uns dazu mal zwei Aktien aus den Bereichen Industrie und Öl an. Beide Aktien könnten in Kürze ihr Allzeithoch anlaufen.

Eine Industrie-Aktie aus Omaha

Für den Bereich Industrie fiel mir beim Scannen Valmont Industries (VMI) auf. Mit einer Marktkapitalisierung von etwa 7 Mrd. US-Dollar gehört das in der Warren Buffett Stadt Omaha beheimatete Unternehmen zu den Small Caps. Das Unternehmen ist ein Profiteur von Joe Bidens auf den Weg gebrachten Infrastruktur-Paket. Es profitiert aber auch von der Technologisierung im Agrarbereich. Valmont Industries liefert an Unternehmen und Behörden Beton, Stahl und Metallprodukte. Außerdem liefert es Lösungen für Beleuchtungs- und Bewässerungssysteme sowie für den Ausbau von Stromnetzen.

Am 22. Februar hatte Valmont Industries Quartalszahlen gemeldet, die im Rahmen der Erwartungen lagen. Am Earning Day verlor die Aktie etwa 6,5 % und fiel im Chart für diesen Handelstag unter die 300 US-Dollarmarke. Aber bereits am Tag darauf wurde die 300 US-Dollarmarke zurückerobert. Seitdem ging es in der Aktie steil nach oben. Am Freitag konnte sogar ein tieferes Zwischenhoch von Mitte Februar überschritten werden. Tagesschlusskurs am Freitag: 333,49 US-Dollar. 

Mit dem Freitagsschlusskurs konnte die Aktie von Valmont Industries den seit Anfang Dezember 2022 gebildeten Abwärtstrend nach oben verlassen. Die Aktie notiert nur noch 5 % unter dem Allzeithoch (352,78 US-Dollar). Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis dieses erreicht wird.

Eine Öl-Aktie aus Midland in Texas

Für den Bereich Öl fiel mir das in Midland, Texas, beheimatete Unternehmen Diamondback Energy (FANG) auf. Mit einer Marktkapitalisierung von 26 Mrd. US-Dollar wäre es den Mid-Caps zuzuordnen. Neben dem Hauptgeschäft, das in der Förderung von Öl- und Erdgas besteht, betreibt es noch Industrieanlagen in Form von Sammel-Pipelines und Wassersystemen. 

Charttechnisch befindet sich die Aktie in einer Seitwärtsrange, die sich seit Ende November 2022 zwischen 130 und 150 US-Dollar entwickelt. Sollte der Ausbruch über 150 US-Dollar gelingen (Freitagsschluss: 146,76 US-Dollar), dann dürfte das Allzeithoch, das die Aktie von Diamondback Energy Mitte November bei 163,26 US-Dollar erreichte, schnell angelaufen werden.

Welche Sektoren nun wieder kaufbar werden

Einige Branchen-ETFs konnten mit dem Freitagsschluss im Chart das letzte tiefere Zwischenhoch überwinden. Damit sollten neue Hochs eigentlich wahrscheinlicher werden als neue Tiefs. Von diesen ETFs erhalten für diesen Montag den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” folgende Untergruppen aus den Sektoren Technologie, Industrie und Freizeit:

Technologie: Cybersecurities (CIBR), Software (IGV), Semiconductor (SMH), Internet und Cloud (WCLD).

Industrie: Automatik und Robotik (ARKQ), Infrastruktur (PAVE), Agrar (MOO), Stahl (SLX), 3D-Druck (PRNT), Chemie (XLB), Kupferminen (COPX).

Freizeit: Gaming und Sport (ESPO), Fluglinien (JETS)

Finanzsektor wurde abgehängt

Was mir auffällt ist, dass der gesamte Finanzsektor zuletzt nicht mit den oben genannten Sektoren mitziehen konnte – zumindest in den USA. 

Insbesondere die Regionalbanken (KRE) zeigen relative Schwäche, sodass meine kürzlich hier geäußerte Vermutung, dass Finanzdienstleister und Banken noch in diesem Halbjahr eine Vorrangstellung bei den Sektor-Leadern einnehmen könnten,  aktuell zumindest nicht mehr vertreten werden kann. Auch der ETF für Broker und Börsenbetreiber (IAI) zeigt nicht mehr die Stärke, die wir noch vor wenigen Wochen sahen.

Vier Broker mit gänzlich unterschiedlichen Charts

Für den Bereich Broker sollte aber beachtet werden, dass einzelne US-Broker sich zuletzt gegenläufig entwickelt haben. Wir wollen uns einmal vier Aktien von Brokern etwas näher anschauen:

Während die Aktie von InteractiveBrokers (IBKR) auf Allzeithoch notiert und seit Jahresbeginn über 23 % steigen konnte, sieht es bei Konkurrent Charles Schwab (SCHW) deutlich düsterer aus: diese Aktie verlor seit Jahresbeginn etwa 10 %.

Robin Hood Markets (HOOD) liegt seit Jahresbeginn zwar auch etwa 20 % im Plus, hat vom Zwischenhoch Anfang Februar aber schon wieder 10 % abgegeben.

Einen interessanten Chart zeigt der in Kasachstan beheimatete, aber multinational ausgerichtete Broker Freedom Holding (FRHC; Marktkapitalisierung: ca. 4 Mrd. US-Dollar). Als Mitte Februar bekannt wurde, dass die Freedom Holding die Maxim Group – eine Investmentbank mit Hauptsitz in New York – für 400 Millionen US-Dollar übernimmt, stieg die Aktie an einem Tag um 24 %. Seitdem korrigiert die Aktie im Chart und zeigte am Freitag erstmals eine auffällige Rebound-Bewegung.

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