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Marktradar vom 13. März 2023

Marktradar vom Montag, 13. März 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Montag, 13. März 2023

 

Sehen wir bald neue Hochs bei Bonds und neue Tiefs bei Aktien ?

Am Freitag sahen wir an der Wall Street deutliche Kursanstiege bei US-Staatsanleihen.

Der ETF für US-Staatsanleihen mit Laufzeiten von ein bis drei Jahren (SHY) konnte am Freitag um 0,5 % zulegen. Wenn man bedenkt, dass dieser ETF seit Anfang Februar in der Spitze einen Drawdown von fast 1,5 % erlitt, so konnte allein am Freitag ein Drittel dieser Verluste wettgemacht werden.

Im ETF für US-Staatsanleihen mit Laufzeiten von 20 Jahren oder länger (TLT) sehen wir eine simultan verlaufende Kursbewegung zum SHY-ETF, die prozentual natürlich eine breitere Kursspanne aufweist, da Langläufer deutlich volatilere Bewegungen vollziehen als Kurzläufer: Der TLT-ETF konnte am Freitag um fast 3,5 % zulegen. Seit Anfang Februar verbuchte der TLT-ETF in der Spitze einen Drawdown von fast 9,4 %. Auch hier konnte also allein am Freitag ein Drittel dieser Verluste wettgemacht werden.

Noch bis Freitag, dem 3. März beobachteten wir an der Wall Street einen Gleichlauf bei Bonds und Aktien. Verloren Aktien, verloren auch Bonds. Ab vergangenen Montag begannen dann Bonds und Aktien, gegenläufige Tageskursverläufe auszubilden. Diese waren zu Beginn der Handelswoche nur für diejenigen Börsianer sichtbar, die Bonds und Aktien als Asset-Paar sowieso täglich beobachten. Spätestens am Freitag sah aber jeder Börsianer, dass Bonds und Aktien getrennte Wege gehen. Am Freitag verlor der S&P 500 (SPY) 1,44 %. Der ETF für US-Staatsanleihen mit Laufzeiten von 20 Jahren oder länger (TLT) gewann am Freitag 3,45 %.

Eine solche Ratio von 2,39 (TLT contra SPY) ist ungewöhnlich und in dieser Höhe absolut nicht normal. Diese hohe negative Korrelation zwischen Bonds und Aktien am Freitag könnte nun als Startrampe dienen: Auf zu neuen Hochs bei Bonds ! Runter zu neuen Tiefs bei Aktien !

So mancher Privatanleger dürfte spätestens an diesem Wochenende vom Markt darauf hingewiesen worden sein, dass es eine gute Idee sein könnte, in seinem Depot jetzt Aktien gegen Staatsanleihen auszutauschen.

Bis September 2022 durchlitten beide Assets gemeinsam ein “Tal der Tränen”. Von Anfang Oktober 2022 bis Anfang März 2023 erholten sich beide Assets von ihren Tiefständen.

Und wie entwickeln sich Aktien und Bonds in den nächsten Monaten weiter?

Wenn beide sich ab nun negativ korreliert im Markt bewegen, dann könnten wir bald neue Hochs in den Bond-ETFs und neue Tiefs in den US-Aktien-ETFs sehen. 

Eine negative Korrelation zwischen Bonds und Aktien ist in Zeiten “normaler Zinspolitik“ auch das Normale. An Tagen, an denen Aktien steigen, verlieren Bonds. An Tagen, an denen Bonds steigen, verlieren Aktien. Bonds werden jetzt zweifach attraktiv: sie könnten zum einen in den nächsten Monaten besser performen als US-Aktien. Und falls es andersrum kommt, also Aktien besser als Bonds performen, führen Bonds immerhin zu einer weniger volatilen Kapitalkurve im Depot – vorausgesetzt die negative Korrelation hat Bestand und verflüchtigt sich nicht wieder.

Was sehen wir unter dem Radar der großen Aktienindizes ?

Banken Kollaps in Kalifornien

Die beiden Regionalbanken SVB Financial Group (SIVB) und die Silvergate Capital Corporation (SI) werden wir künftig nicht mehr auf dem Radar haben, da beide Banken abgewickelt werden. 

Da ich ab dem 10. November 2022 schon mehrmals im Marktradar über die Silvergate Capital Bank, die ein nicht zu unterschätzender Player im Kryptowährungsgeschäft gewesen ist, berichtet habe, möchte ich mich heute auf die Silicon Valley Bank fokussieren. Immerhin gehörte diese Bank bis vor Kurzem noch zu den 20 größten Regionalbanken in den USA.

Die kalifornischen Bankenaufsichtsbehörden haben am Freitag die SVB Financial Group, die wir ab nun hier Silicon Valley Bank nennen, geschlossen, nachdem die Bank, die Ende 2022 über ein Vermögen von 209 Milliarden US-Dollar verfügte, einen Ansturm erlebte, bei dem Kunden an einem einzigen Tag bis zu 42 Milliarden US-Dollar abgehoben haben. Dieser Run auf die Gelder zwang die  Regionalbank, die vor allem Einlagen von Start-Up-Firmen hielt, sich bei der kalifornischen Bankenaufsichtsbehörde als zahlungsunfähig zu melden.

Am Samstag veröffentlichte Y Combinator, eine Anlaufstelle für Startups, die Jungunternehmern bei der Gründungsphase mit Geld, Ratschlägen und Kontakten unterstützt, eine Petition an US-Finanzministerin Janet Yellen und andere Aufsichtsbehörden. In der Petition werden Rettungsaktionen für Startups gefordert, die Gelder bei der Silicon Valley Bank hinterlegt hatten. Rund 87 % aller Einlagen waren nicht versichert, so dass viele Startup-Firmen vor dem Aus stehen könnten.

Es sind nun aber nicht nur Startups aus dem Silicon Valley betroffen. Am Wochenende wurde bekannt, dass auch Startups und börsennotierte Firmen aus Asien und Europa ihr Geld bei der Silicon Valley Bank geparkt hatten. Unter anderem ist der deutsche Kochboxenanbieter HelloFresh (WKN: A16140) betroffen. Die Aktie hatte in den vier letzten Handelstagen etwa 20 % an Wert verloren.

US-Regulierungsbehörden bemühen sich derzeit, Vermögenswerte der Silicon Valley Bank zu verkaufen. Zugleich kündigte der globale Vermögensverwalter und Kreditgeber für Technologieunternehmen, die Liquidity Group, am Sonntag an, Notkredite in Höhe von rund 3 Milliarden US-Dollar für Startup-Firmen anzubieten, die nicht mehr an ihre Einlagen bei der Silicon Valley Bank herankommen. Vermutlich werden andere Kreditinstitute nächste Woche ähnliche Offerten für nun in Notlage geratene Startup-Gründer anbieten. 

Auch eine Übernahme der Silicon Valley Bank durch eine Großbank ist für diese Handelswoche ein Szenario, das einkalkuliert werden sollte. Dieses würde vermutlich zu einer kräftigen Erholungsbewegung bei Banken – zumindest für einen Tag – führen. Für die neue Handelswoche sollte uns also eine hohe Volatilität an den Aktienmärkten bervorstehen.

Der Kollaps der Silicon Valley Bank wird von Experten als direkte Folge des aggressiven Zinserhöhungszyklusses der US-Notenbank gewertet. Dieser Kollaps stellt ein Narrativ dar, das sich bis vor wenigen Tagen noch jenseits des Radars der meisten Notenbanker abspielte; und gerade deswegen nun zu einer ungeahnten Belastungsprobe führen kann – mit Potential zu einem Black Swan Ereignis für den US-Bankensektor und womöglich darüber hinaus für das weltweite Finanzsystem.

Bekannte Investoren wie Kyle Bass und Bill Ackman betonten am Wochenende, dass die Regierung jetzt schnell handeln muss, um zu verhindern, dass der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank weitere Zusammenbrüche im Bankensystem auslöst.

„Wenn Sie so aggressiv in ein Wendemanöver gehen, nachdem Sie so viel Inflation geschaffen haben, werden Sie etwas kaputt machen“, sagte Kyle Bass, Gründer und Chief Investment Officer von Hayman Capital Management. „Und was sie (die Fed) lernen werden, ist, dass die Geschwindigkeit, mit der sie die Zinsen erhöht haben, genauso rücksichtslos ist wie die Geschwindigkeit, mit der sie Geld gedruckt haben“.

Vermutlich hatte das Management der Silicon Valley Bank nicht berücksichtigt, dass die Einlagen zurückgehen, während die Zinssätze steigen. Normalerweise steigen Einlagen nämlich mit steigenden Zinsen.

Hinzu kam ein schlechtes Riskmanagement seitens der Silicon Valley Bank: die stark gestiegenen Einlagen hatte die Bank in langfristigen Anleihen angelegt, die bekanntlich deutlich an Wert verloren haben. Da nun Firmen zunehmend ihre Einlagen abzogen, weil sie entweder das Geld brauchten, das Risiko sahen oder einfach höhere Zinsen am Geldmarkt erzielen wollten, kam es zu einem Liquiditätsengpass. Dieser Verlust an Einlagen erschöpfte die Cash-Reserven, weil bei den nun zwangsweise verkauften Wertpapieren Verluste erzielt wurden, die nominal nicht in den Büchern standen. Diese Zwangsverkäufe  führten das Eigenkapital der Bank in den negativen Bereich, so dass der Staat übernehmen musste.

Die Anleger werden die Bücher sowie die Kapitalausstattung der verschiedenen Banken jetzt genauer unter die Lupe nehmen. Insbesondere wenn auch andere Regionalbanken ihr Eigenkapital mit langfristigen Anleihen abgesichert haben, dürften Schweißausbrüche bei so manchem Insider entstehen. Dabei könnte sich zeigen, dass viele Banken auf noch nicht realisierten Verlusten sitzen – wie bei der Silicon Valley Bank spätestens am Donnerstag offenkundig wurde, nachdem eine überraschend hohe Kapitalerhöhung angekündigt wurde, die schließlich zum Bankrun am Freitag führte. 

Dieser Bankenkollaps wirft an den Märkten die Frage auf, wie gefährdet andere Banken in Bezug auf ihre Einlagen in Zeiten von erhöhtem Geldabzug und exponentiell angestiegenen Zinssätzen sind.

Auch Bankkunden, die keine Startup-Gründer sind, geraten in Zeiten hoher Inflation in Geldnot. Aber auch solvente und reiche Bankkunden ziehen Gelder von Bankkonten ab, um US-Staatsanleihen zu kaufen, weil diese aktuell höhere Zinssätze bieten als zum Beispiel Festgeldkonten. Auf dieses Problem hatten mehrere Regionalbanken in ihren letzten Quartalsberichten hingewiesen: diese fühlen sich von der US-Notenbank genötigt, höhere Zinsen ihren Kunden anzubieten als eigentlich einkalkuliert, um einem Rückgang der Einlagen in den Bankkonten entgegenzuwirken.

Der Staat als Anlaufstelle für Sparer entpuppt sich momentan als attraktiver als so manches Sparkonto bei einer Regionalbank. Dieser neue Wettbewerber dürfte bei der einen oder anderen Regionalbank zumindest die Gewinnmargen nach unten drücken. Wenn es nur die Margen wären, dann dürfte die Bank mit einem blauen Auge davonkommen, mag sich so mancher CEO einer Regionalbank an diesem Wochenende eingeredet haben.

Regionalbanken vor Erholungsrallye ?

In vielen Regionalbanken sahen wir in den Charts am Freitag einen Gimmee. Das heißt, der Kurs eröffnete unter dem Tief vom Vortag, dieses geschah unterhalb der Bollinger Bänder, und schloss per Tagesschluss recht nah am Hoch. 

Schauen wir uns beispielhaft die Regionalbank United Bankshares (UBSI; Marktkapitalisierung: 5 Mrd. US-Dollar) an. Relativ kurzfristig und antizyklisch agierende Trader könnten nun auf eine Rebound-Rallye spekulieren. Es kam am Freitag zu einem Volumenspike. Einen solchen gab es im Handel der Aktie zuletzt am 31. Januar 2023 und am 16. Dezember 2022, jeweils ebenfalls an Tiefpunkten. Danach gab es fünf bzw. vier Handelstage in Folge höhere Schlusskurse in dieser Aktie. Wer gern nach dem Motto “alle guten Dinge sind drei” tradet, könnte nun auf eine mindestens dreitägige Rallye in dieser Aktie spekulieren.

Jetzt absichern oder nachkaufen ?

Der Kollaps der Silicon Valley Bank sollte meiner Meinung nach nun als der Hauptgrund dafür angesehen werden, dass wir im Marktradar per Wochenschluss ein Wiedererstarken der Bären gesehen haben. 

Für Montag erhält keine einzige Branche mehr den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”. Allein das sollte für Aktienfans nun Grund genug sein, das Depot lieber abzusichern als in Buy-the-Dip-Manier kräftig aufzustocken.

Entrie-Stempel für Swing-Trades auf der Long-Seite erhalten wir vom Marktradar für Montag zwar für einige wenige Branchen (u. a. Schifffahrt und Fluglinien), aber der Grundtenor sollte für Montag wohl eher Abwarten sein.

Den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” erhalten wir für Montag nur für drei Regionen ex-USA: Irland, Chile, Türkei.

Der Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” wird außerdem für drei Assets jenseits von Aktien vergeben: Goldpreis (GLD), US-Staatsanleihen mit Laufzeiten von einem Jahr bis drei Jahren (SHY) sowie Frachtraten (BDRY).

Trendfrüherkennung

Eine grüne Lampe für die Trendfrüherkennung leuchtet aktuell bei den Länder-ETFs für Kolumbien (GXG) und Vietnam (VNM). Beide Regionen erhalten zwar noch den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell-Off spekulieren”. Da diese beiden Regionen-ETFs aber zuletzt höhere Tiefs ausgebildet haben und auch weniger verloren als der Gesamtmarkt, sehen wir hier eine Chance für Antizykliker, sich früh in eine noch nicht wirklich existente Aufwärtsbewegung hinein zu positionieren.

Interessant könnten auch Aktien aus Saudi-Arabien oder Katar werden. Der Regionen-ETF für Saudi-Arabien wird für Montag von “Abwarten oder auf Sell-Off spekulieren” auf “Unter Beobachtung” hochgestuft. Der ETF für das Nachbarland Katar (QAT) wurde kürzlich auf “Bodenbildung oder Seitwärts” hochgestuft. Womöglich verweist diese Entwicklung auf in Kürze wieder steigende Ölpreise. 

Im Öl-Future mit Verfall Juni (Tagesstempel: “Unter Beobachtung”) sehen wir aktuell vornehmlich ein Dümpeln innerhalb einer Seitwärtsrange. Im Öl-Future hatte sich am 22. Februar ein höheres Tief gebildet. Das tiefere Hoch vom 13. Februar wurde am 7. März dann auch angelaufen. Auf diesen Ausbruchsversuch folgte aber ein massiver Abverkauf, so dass wir jetzt erst einmal auf die Ausbildung eines neuen höheren Tiefs warten. Erst danach könnte das Lämpchen für die Trendfrüherkennung auf unserem Radardisplay wieder grün leuchten.

Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.