Marktradar für Dienstag, 3. Januar 2023
Sehen wir zu Jahresbeginn nur Strohfeuer oder auch mal einen “Phönix aus der Asche” empor fliegen ?
Zeitspannen und Zahlen passen nicht zueinander
Am letzten Handelstag des Jahres 2020 notierte der ETF auf den S&P 500 (SPY) bei 361,23 Punkten. Am letzten Handelstag des Jahres 2022 notierte der ETF auf den S&P 500 (SPY) bei 382,43 Punkten. Aus Sicht von zwei Jahren konnten Anleger mit einem passiven Investment in den S&P 500 also eine Rendite von 5,87 % erzielen.
Handelt es sich hier um Schönrederei, weil wir den Bärenmarkt 2022 – zumindest in den Zahlen – ignorieren? Im Absatz oben steht kein Minuszeichen !
Zeitspannen lassen sich mit Zahlen sowieso nicht beschreiben. Lange Zeitspannen sind immer episch. Wir kennen das vom Zinseszins: dort liefern die Zahlen – je länger die Zeitspannen werden – im Ergebnis Werte, die mehr mit Science Fiction als mit seriöser Rechnerei zu tun zu haben scheinen.
Was vor vierzehn Tagen an der Börse passierte, habe ich meist schon fünf Tage später vergessen. 14 – 5 = 9. Ich sagte es eben schon: Zeitspannen und Zahlen passen nicht zusammen. Das Ergebnis 9 ist hier so irrelevant wie die Rendite, die ich zwischen Mai 2022 und Juli 2022 erzielt habe. Ich könnte jetzt nachsehen. Soll Ich ?
Falls ich das eben getan hätte, dann würde ich nun eine Geschichte erzählen – wie es mir damals an der Börse so erging. Welche Aktie mich ab Mai hinters Licht geführt hat. Welcher Aktie ich zu lange gefolgt bin. Welche Aktie ich zu spät entdeckt habe. Solche Geschichten sind viel spannender als Ergebnisse, die aus Zeitspannen abgerungen werden.
Um es auf die Spitze zu treiben: Eine Paypal (PYPL) hat aus Sicht von zwei Jahren mehr als 30 % verloren. Wer sich bei Paypal schönreden möchte – wie ich das oben mit dem S&P 500 getan habe – der muss bis Silvester 2017 zurückschauen. Aus Sicht von fünf Jahren hat Paypal eine Rendite von fast 70 % gebracht ! Das sind 14 % Rendite p. A. ! Paypal ist also immer noch ein gutes Investment; zumindest für den, der seit fünf Jahren oder länger dabei ist.
Wer an der Börse Erfolg vorzeigen möchte, der muss langfristig zurückblicken. Das ist wie im richtigen Leben.
Darum Fokus auf das Hier und Jetzt
In dieser Kolumne kann ich mir aber nicht den Luxus erlauben, zwei Jahre zurück zu blicken. Im Marktradar geht es in erster Linie um die Veränderungen im Hier und Jetzt. Warum? Um frühzeitig zu erkennen, wo sich Rotationen und Verschiebungen für die nahe Zukunft ergeben. Dabei setze ich den Fokus auf Risk-On / Risk-Off Paritäten: Wie verhalten sich Risk-On und Risk-Off Paare hier und jetzt zueinander ? Wer folgt hier wem, das ist in der Intermarketanalyse die Frage aller Fragen (Nicht: Sein oder Nichtsein !).
Zwei Beispiele:
Zu Beginn 2023 sehen wir, dass Aktien von Unternehmen, die mit zyklischen Konsumgütern wie Möbel, Autos, teuren Handtaschen, Schmuck ihr Geld verdienen (Risk-On) meist nahe von Tiefs notieren. Aktien von Unternehmen, die mit nicht zyklischen Konsumgütern wie Grundnahrungsmitteln, Getränken, Haushaltswaren (Risk-Off) ihr Geld verdienen, notieren meist weit ab von Tiefs.
So lange das so bleibt, fahren die Bären die Autos und die Bullen müssen sich mit einer Flasche Selters begnügen.
Ebenso notieren recht viele zyklische Industrieaktien aus den Bereichen Maschinenbau, Stahl, Metallverarbeitung nahe ihrer Hochs, während viele Aktien aus dem Bereich Internet, Software, Technologie oft (aber nicht immer !) mehr als 50 % unter ihren Hochs aus 2021 notieren.
Die Bullen verzweifeln am Rechner, die Bären bleiben hart wie Stahl.
Mit dem Start in das neue Jahr erhalten die großen US-Aktienindizes (S&P 500, Nasdaq 100, Russell 2000) den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren”. Ebenso der ETF für IPO Aktien. Für mich bedeutet das nun vor allem eines: Abwarten. Nun gilt es im Marktradar zu beobachten, welcher Index zuerst in den kaufbaren Bereich zurückkehrt:
Wenn das der S&P 500 sein wird, dann dürfte es wieder nur eine Bärenmarktrallye geben.
Wenn das der Nasdaq 100 sein wird, dann könnte es immerhin eine Chance für einen Trendwechsel vom Bärenmarkt in den Bullenmarkt geben.
Wenn das der Russell 2000 sein wird, dann stehen die Chancen für einen Trendwechsel noch höher.
Wenn das der IPO-ETF sein wird, dann heißt es für mich: Jetzt gehe ich All-In Long.
Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes?
Fallen Angels zu Beginn des Jahres lieber nicht Shorten
Wir vergeben für heute zahlreiche Entry Stempel auf der Short Seite bei Risk-On Branchen wie Cannabis, Kryptowährungen, Internet und Cathie Wood Aktien.
Nun aber in Aktien wie Tilray (TLRY), Coinbase (COIN), Zoom (ZM) oder Tesla (TSLA) Leerverkäufe über Swing Set-Ups aufzusetzen, halte ich für riskant. Weil zu Beginn eines Jahres häufig die Verlierer des Vorjahres gekauft werden. Das kann nur ein Strohfeuer sein, das wir in drei Wochen längst vergessen haben werden. Ich persönlich gehe auch eher von einem Strohfeuer als von einem Leuchtfeuer aus.
Die vier oben genannten Aktien gehören mit zu den Verlierern 2022. Sollten wir in diesen Aktien in den nächsten Tagen sehen, wie sich in den Charts V-Formationen entwickeln, dann wäre das aber ein erster Schritt: ein Fluchtversuch aus der Bärenhöhle könnte dann tatsächlich beginnen – und das nicht nur für diese vier Aktien.
Zwei “Phönix aus der Asche” Kandidaten:
Ich habe heute nach Aktien gescannt, die als Fallen Angels 2022 extrem an Wert verloren haben und die zumindest nun für eine Gegenreaktion für einen Trade zu gebrauchen wären:
Zum einen fiel mir Peloton Interactive (PTON) auf. Der Stay-At-Home Gewinner aus der Corona Pandemie 2020 ist am letzten Handelstag 2022 wieder unter 8 $ gefallen (das Allzeithoch lag am 11. Januar bei 171,09 $ !).
Die Firma stellt Fitnessgeräte für den Heimgebrauch her und offeriert Online-Angebote, Live und On-Demand, um körperlich fit zu bleiben, ohne dabei aus dem Haus zu gehen.
2022 hat die Aktie fast 80 % an Wert verloren, gegenüber dem Allzeithoch beträgt der Verlust 95 %. Die Marktkapitalisierung von Peloton Interactive beträgt immer noch beachtliche 2,8 Mrd. $ – Achtung: Nur etwas für Zocker !
Langfristig vielversprechender sind sicherlich Fallen Angels, die bereits an einer Bodenbildung arbeiten. Hier fiel mir beispielsweise Zebra Technologies (ZBRA) auf. Die Aktie hat 2022 fast 60 % an Wert verloren und besitzt noch eine Marktkapitalisierung von 13 Mrd. $.
Zebra Technologies hat sich auf die RFID-Technologie spezialisiert, mit der über Radiowellen Daten per Bar-Code Scanner oder Lesegeräten angezeigt und verwaltet werden können. Diese Geräte kommen bei der Zollabfertigung, bei der Warenerfassung im Einzelhandel, bei der Lagerverwaltung, aber auch bei der Echtzeitverortung, z.B. auf Parkplätzen, zum Einsatz. Außerdem fertigt und vertreibt Zebra Technologies Drucker, die Etiketten, Armbänder, Plastikkarten etc. produzieren. Auch robuste Tablets für mobile Datenerfassungen im Industriebereich werden von der Firma hergestellt und vertrieben.
Im Chart von Zebra Technologies wird noch an einer w-förmigen Bodenbildung gearbeitet. Das aktuelle KGV liegt bei 16 und soll bis 2024 auf etwa 12 sinken. Historisch wurde die Aktie über längere Phasen mit KGVs zwischen 20 und 40 bewertet. Die Fundamentaldaten sehen insgesamt ziemlich gut aus, so dass man fast von einer zyklischen Qualitätsaktie sprechen könnte, die zudem wieder günstig zu haben wäre. Womöglich ein “Phönix aus der Asche” Kandidat für 2023 ?
Silberminenaktien nun eher stetig als steil steigend ?
Einen Entry Stempel auf der Long Seite erhält für heute nur die Branche Silberminen. In den Charts von Aktien wie Fortuna Silver Mining (FSM), SSR Mining (SSRM) oder Wheaton Precious Metals (WPM) finden sich für heute auch lehrbuchmäßige Set-Ups für einen Swing-Einstieg bzw. für eine Aufstockung bestehender Positionen.
Viele Experten sehen 2023 Potential für Gold und Silber, das ich im Marktradar auch früh erkannt habe. Aktuell ziehen aber der Goldpreis und der Silberpreis (Risk-Off) wieder an den Gold- und Silberminen (Risk-On) vorbei, erhalten den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”, während die Minenaktien “nur” mit “Buy the dip” abgestempelt werden. Das spricht bestenfalls für eine Abflachung der Renditekurve bei den Minenaktien und im Worst-Case für einen bevorstehenden Trendwechsel. Solange die Minenaktien nicht in eine Outperformance gegenüber den Preisen für Gold und Silber übergehen – wie wir das ab etwa September beobachten konnten -, dürfte die Kursentwicklung bei Minenaktien nicht steil, sondern bestenfalls stetig nach oben laufen.
Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.
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