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Marktradar vom 10. April 2023

Marktradar vom Montag, 10. April 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Montag, 10. April 2023

Osterkörbe und Marshmallows

Arbeitsmarktdaten ohne große Überraschungen, oder etwa doch ?

Am Karfreitag wurden neue US-Arbeitsmarktdaten veröffentlicht.

Außerhalb der Landwirtschaft wurden netto und saisonbereinigt 236.000 neue Stellen geschaffen, damit konnten die Erwartungen von 230.000 neuen Stellen leicht übertroffen werden.

Die Arbeitslosenquote sank von 3,6 % im Februar auf 3,5 % im März. Mit 3,4 % war im Januar noch der niedrigste Stand seit Mai 1969 erreicht worden.

Damit zeigt sich der US-Arbeitsmarkt weiterhin robust.

Bleiben die Arbeitsmarktdaten in den nächsten Monaten so stabil, dann dürfte das den Aktienmärkten Auftrieb verleihen. 

Die US-Aktien-Futures legten in einer ersten Reaktion auf die Arbeitsmarktdaten am Karfreitag entsprechend zu, so dass wir für Ostermontag mit einem Up-Gap rechnen können.

Im ETF für den S&P 500 (SPY) lauern die nächsten horizontalen Widerstände um 412,  um 416 und um 426 US-Dollar. Sollten diese in einem Lauf überwunden werden, dann könnten Kurse nahe bei 440 US-Dollar im SPY-ETF noch im zweiten Quartal erreicht werden.

Manche Volkswirte wundern sich, warum die Arbeitslosenquote nicht steigt, obwohl wir fast täglich von Stellenabbau bei großen Unternehmen hören; dieser wird von den CEOs natürlich im Glauben verkündet, dass eine solche Maßnahme den Aktienkurs stützen wird – insbesondere in Zeiten, wenn eine Rezession nicht nur droht, sondern auch in den Wirtschaftsdaten ablesbar wird. 

Aktuell lässt sich die Rezession aus den Daten jedoch nur prognostizieren, nicht ablesen.

Es sieht so aus, als ob der Stellenabbau, der seit einigen Monaten von großen Internet- und Technologiefirmen wie Meta Platforms, Alphabet oder Tesla angekündigt und teils auch bereits durchgeführt wurde, nicht wirklich auf die Arbeitsmarktdaten durchschlägt. Warum ist das so ?

Womöglich ist es für gut ausgebildete Programmierer, die ihren Job verloren haben, in den USA nicht schwer, anderswo einen Job zu finden. Vielleicht erhält durch die Entlassungen der Start-Up-Markt nun frischen Wind, weil gut ausgebildete, kreative Software-Experten jetzt endlich eigene Ideen umsetzen können, die innerhalb des weitverzweigten Apparates eines Tech-Kolosses bei Entscheidern auf taube Ohren stießen.

Der Produktionsschub, der nun durch die KI freigelegt wird, wird zusätzlich dazu beitragen, dass neue Geschäftsideen in Bereichen wie Digital-Marketing oder Content-Management wie Pilze aus dem Boden schießen. Vieles, was vor November 2022 auch von IT-affinen Leuten kaum denkbar war – und im Prozessaufbau langwierig erschien -, könnte auf dem Nährboden der KI womöglich in kurzer Zeit auf die Beine gestellt werden. Und sei es nur eine an Adobe Firefly angebundene App, die Kindern ermöglicht, ihr eigenes Stofftier über eine KI malen zu lassen, um dieses Bild dann von den Eltern in Auftrag geben zu lassen, damit auf dem Postwege ein weicher Teddybär zum Knuddeln in das Kinderzimmer gelangt – die Idee gibt es übrigens schon, bisher meines Wissens aber noch nicht KI-generiert: Das in den USA börsennotierte Unternehmen Build-a-Bear Workshop (BBW; Marktkapitalisierung: 350 Millionen US-Dollar) bot zu Ostern neben den üblichen Teddybären, die Kinder (und nicht die KI !) auf dem Computer über Vorlagen individuell entwerfen und „designen“ können, auch kleine Hasen für Osterkörbe an, die nach Marshmallows riechen – laut Pressemitteilung des Unternehmens wurden davon bereits 250.000 Stück ausgeliefert. Aktionäre fanden am Gründonnerstag ein Osterei in Form einer Sonderdividende von 1,50 US-Dollar pro Build-a-Bear Workshop Aktie in ihrem Kontoauszug vor: Das entspricht bei einem Aktienkurs von 23,74 US-Dollar immerhin einer Dividendenrendite von 6,32 %. Die BBW-Aktie notierte vor Ostern übrigens etwa 10 % unter Allzeithoch.

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?

In der vergangenen Handelswoche haben sich defensive Sektoren wie Gesundheit (XLV), Versorger (XLU), Basiskonsumgüter (XLP) und digitale Kommunikation (XLC) am besten entwickelt. Diese Branchen, die den Markt in der Regel outperformen, wenn Risk-Off Angst Risk-On Bereitschaft überlagert, sehen jetzt zu Wochenbeginn ein bisschen überkauft aus, so dass es meines Erachtens unwahrscheinlich erscheint, dass diese Risk-Off Branchen auch in der kommenden Woche noch einmal besser als der Markt laufen werden – zumal der Gesamtmarkt eindeutig zu Höherem drängt: in Kürze dürften wieder neue höhere Tiefs in den Charts verortet werden, die als Marktbreiteindikatoren nahezu alles steigen lassen werden, was nicht gerade im Krisenmodus steckt: Anfällig für schlechte Nachrichten sind aktuell Broker, Banken, Versicherungen, Office-REITs.

Swing Long Chancen für diese Woche

Der Marktradar sieht für Montag die besten Swing-Einstiege auf der Longseite bei Branchen, die eher bei wachsender Risk-On Bereitschaft steigen dürften: Chemie (XLB), Gaming (ESPO), Halbleiter (SMH), Luft- und Raumfahrt (ITA), Luxusgüter (XLY).

Rohölpreis-Schock führte zu keiner Rallye im Energiesektor

Dass ab vergangenen Montag Anschlusskäufe in den großen US-Aktienindizes ausblieben, lag auch am Ölpreis: Saudi-Arabien und andere Mitglieder der Opec+-Gruppe hatten um den Monatswechsel überraschend die Senkung der Ölproduktion um mehr als 1,6 Millionen Barrel pro Tag angekündigt. Die von Saudi-Arabien geführte Initiative traf den Markt unvorbereitet, da die Kürzung außerhalb der Opec+-Treffen kommuniziert wurde. Anleger kauften bis Gründonnerstag aber nicht nach, so dass eine Überraschungsrallye in Ölaktien ausblieb.

Die Aktie von Occidental Petroleum (OXY) beispielsweise, an der Warren Buffett recht hoch beteiligt ist, konnte aus Wochensicht nur um 1 % steigen, obwohl die Aktie am vergangenen Montag mit einem Up-Gap von über 5 % eröffnet hat. 

Der ETF für Aktien aus dem Bereich Öl- und Gasdienstleister (XES) erhält für heute den Tagesstempel “Unter Beobachtung”. Der ETF für Aktien aus dem Bereich Öl- und Gasproduzenten (XOP) erhält für heute den Tagesstempel “Bodenbildung oder Seitwärts”. Trendtechnisch befinden sich Aktien aus dem Ölsektor im Niemandsland. Womöglich profitieren die Produzenten von Rohöl stärker von einem Anstieg des Ölpreises als die Dienstleister. Eventuell wäre jetzt ein Pair-Trade keine schlechte Idee: XOP Long und XES Short.

Stahlaktien werden nun zu Underperformern 

Eine auffällige relative Schwäche sahen wir in der vergangenen Handelswoche in einigen Aktien aus dem Bereich Industrie (XLI) und Stahl (SLX). Dabei fiel mir auf, dass größere Stahlproduzenten wie Nucor (NUE), Steel Dynamics (STLD) oder Reliance Steel & Aluminum (RS) im Unterschied zum entsprechenden ETF für die Stahlbranche (SLX) jeweils im Chart ein höheres Tief im Wochenverlauf unterschritten haben. Es bleibt somit wahrscheinlich, dass Aktien aus dem Bereich Stahl in den nächsten Wochen schlechter laufen werden als Aktien aus dem Technologie- und hier besonders  dem Semiconductor-Bereich. Für diesen sind die Trends nämlich noch völlig intakt und die meisten Aktien aus dem Semiconductor-Bereich laden charttechnisch regelrecht zum Trendfollowing ein.

Ein Sidewalk-Profiteur

Beim Scannen ist mir eine Aktie aus dem Semiconductor Bereich aufgefallen, die vielen vermutlich nicht bekannt ist, also etwas unter dem Radar dieser Branche fällt. Daher möchte ich auf diese Aktie kurz eingehen:

Silicon Laboratories (SLAB; Marktkapitalisierung: ca. 5 Mrd. US-Dollar) entwickelt und vertreibt Mikrocontroller und Sensorprodukte, die Geräte miteinander verbinden.

Auf der Homepage kündigte das Unternehmen am 28. März eine Schnelleinrichtung für Amazon Sidewalk an. Amazons Projekt mit dem Namen Sidewalk wurde schon vor einigen Jahren ange­kün­digt, aber erst Ende März diesen Jahres gab der “Alexa”-Verkäufer die Öffnung des Netzes für externe Entwickler bekannt.

Das „Side­walk“-Netz ist ein Funknetz, mit dem sich zum Beispiel Laut­spre­cher oder Sicher­heits­kameras mitein­ander verbinden lassen. Silicon Laboratories bietet Herstellern von IoT-Geräten gemäß eigenen Angaben ab April die umfassendste drahtlose Entwicklungslösung aus einer Hand für Amazon Sidewalk an. Dieses neue “Pro Kit” ist programmiert mit Amazon Sidewalk-Firmware und kann in wenigen Minuten sofort und sicher mit der AWS-Cloud von Amazon verbunden werden, ohne dass dabei eine App heruntergeladen werden muss. Es genügt, wenn das Gerät angeschlossen ist.

Silicon Laboratories hatte am 1. Februar Quartalszahlen gemeldet, die bei Umsatz und Gewinn sowohl im Ergebnis als auch bei den Aussichten die Erwartungen der Analysten deutlich schlagen konnten. Am Earning Day stieg die Aktie um 14 %. Es gab danach aber nur recht verzagte Anschlusskäufe. Schließlich korrigierte die Aktie ab Mitte Februar und testete seitdem bisher viermal eine charttechnische Unterstützung um 164 US-Dollar. Falls die Aktie in diesem Bereich den Boden erreicht hat, dann könnten wir uns nun am Tiefpunkt einer Tassenformation befinden. 

Anfang Mai wird Silicon Laboratories neue Quartalszahlen veröffentlichen. Sollte die Aktie bis dahin oder im Zuge abermals guter Quartalsergebnisse auf das Zwischenhoch von Mitte Februar bei 194,68 US-Dollar ansteigen, besteht eine Kurschance von 16 % (Kurs vom Donnerstag: 167,91 US-Dollar). 

Laut Analysten soll der Gewinn bei Silicon Laboratories von 2022 auf 2023 bei nahezu gleichbleibenden Umsatzerlösen um 90 % gesteigert werden können. Das Management scheint also an der Profitabilität erfolgreich “geschraubt” zu haben; diese ließ von 2020 bis 2022 auch zu wünschen übrig. Ab 2024 werden dann neben ordentlichen Gewinnmargen auch wieder steigende Umsätze erwartet. Mit einem KUV von 5 und einem KGV von 30 für das laufende Jahr scheint das Unternehmen nicht günstig, aber moderat bewertet zu sein. 

Trendfrüherkennung

In den meisten Branchen- und Themen-ETFs sahen wir zuletzt höhere Hochs. Mit der in der vergangenen Woche eingesetzten Korrekturbewegung sollten in Kürze den höheren Hochs höhere Tiefs folgen.

Den seltenen Fall eines höheren Tiefs verorten wir in der vergangenen Handelswoche im ETF für Biotechnologie (XBI) für den 4. April. Es handelt sich um ein verstecktes höheres Tief, das nur bei genauem Hinsehen sichtbar wird. 

Der Bereich Biotech (XBI) wird für heute von “Abwarten oder auf Sell-Off spekulieren” auf “Unter Beobachtung” hochgestuft. Der Bereich Healthcare (XLV) wurde am vergangenen Mittwoch erstmals seit dem 15. Dezember 2022 wieder mit dem Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” geehrt.

Der Risk-Off-Part Healthcare konnte sechs Handelstage in Folge steigen. Das sieht nach Beendigung einer langen Durststrecke aus. Wenn sich also Healthcare im Gesundheitssektor besser entwickelt als sein Risk-On-Part Biotech, dann dominiert bei Anlegern nicht die Risikobereitschaft für das Forschen nach neuen Medikamenten, sondern es dominiert die Investition in verlässlicher bewertbare Produkte wie Verbrauchsmaterialien für das Gesundheitswesen oder bereits in Apotheken erhältlichen Blockbustern.

Wer mittelfristig auf einen Risk-On / Risk-Off Wechsel im Bereich Gesundheit spekulieren möchte, der könnte nun in Biotech-Aktien einen frühen Einstieg finden. 

Relative Stärke in dieser Branche zeigt die Aktie von Regeneron Pharmaceuticals (REGN). Am vergangenen Mittwoch erreichte die Aktie ein neues Allzeithoch. Im Zuge eines wieder erstarkenden Branchen-ETFs könnte diese Biotech-Aktie mit Leader-Qualitäten eine gute Wahl darstellen.

Charttechnisch interessant erscheint mir Alnylam Pharmaceuticals (ALNY). Die Biotech-Aktie konnte am Donnerstag bei steigendem Handelsvolumen aus einer Bodenbildungs-Base nach oben ausbrechen. News gab es für diese Aktie an diesem Tag keine. Charttechnisch sieht es nach einer technischen Beendigung der Korrektur aus: die Aktie wird nun womöglich nicht mehr unter 200 US-Dollar fallen (Schlusskurs am Donnerstag: 210,99 US-Dollar).