Marktradar für Freitag, 10. Februar 2023
Rezession wird wieder vertagt
Eine Rezession in den USA wird nun zeitlich immer weiter nach hinten vertagt. Laut der von der Federal Reserve Bank aus Atlanta jüngst veröffentlichten Datenerhebung (sogenannter GDP-Now Indikator) wird für das erste Quartal inzwischen ein Bruttoinlandswachstum von 2,2 % für die USA prognostiziert. Das ist deutlich mehr als institutionelle Marktteilnehmer noch Ende vergangenen Jahres erwartet haben und kommt zu einem Zeitpunkt, an dem viele Marktstrategen in den Trading-Desk Etagen ihr zögerliches Agieren zu Jahresbeginn nun als Makel betrachtet müssen, der nun möglichst schnell übertüncht werden muss.
Der S&P 500 kämpft aktuell mit dem Unterstützungsbereich zwischen 4000 und 4100 Punkten. Sollten wir heute nach Börsenschluss über 4100 schließen, dann könnten Portfoliomanager sich bereits am Wochenende gezwungen fühlen, ab Montag in steigende Kurse hinein zu kaufen. Falls wir heute im Laufe des Tages aber die 4000 Punkte Marke testen (Schlusskurs im S&P 500 gestern: 4081,50), also einen ungefähr zweiprozentigen Abwärtssog erleben, dann könnte es gegen Handelsschluss einen kräftigen Rebound geben. Falls nicht heute, dann wird eben am Montag an der 4000er Marke abgeprallt.
Oder wir drehen bereits heute nach oben, ohne die 4000 Punkte Marke im S&P 500 zu testen.
Der Februar ist saisonal eigentlich ein schwacher Monat für den US-Aktienmarkt. Betrachtet man den Februar aber nur in den Vorwahljahren und blendet die drei Jahre davor und danach aus, dann kehrt sich diese Rückrechnung vollends in das Gegenteil um. Der Februar wird dann zu einem Monat, in dem Anleger in der Vergangenheit fast immer Geld mit Aktien verdienen konnten.
Der Marktradar vergibt für die meisten großen US-Aktienindizes für heute einen Entry Stempel auf der Long-Seite. Das bedeutet, dass sich Swing-Trader auf die Lauer für Einstiege auf der Long-Seite legen können. Buy the Dip heißt nun die Trumpfkarte im Spiel der Spiele.
Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes?
Werden Finanzaktien die Leader von morgen sein?
Wie auch in den großen US-Aktienindizes vergibt der Marktradar für viele Branchen heute Entry Stempel auf der Long Seite. Das betrifft den Finanzsektor mitsamt allen Untergruppen: Banken, Regionalbanken, Fintech, Broker und Börsen, Beteiligungsgesellschaften. Eine solche Branchenbreite innerhalb des Finanzsektors lässt vermuten, dass Aktien aus dem Bereich Finanzen in den nächsten Wochen und vielleicht auch Monaten eine Leader-Rolle in den Sektor-Rankings einnehmen könnten.
Technologieaktien sind heute schon die Leader
Deutlich stärkeres Momentum als bei Finanzaktien sehen wir aber im Technologiebereich: Swing-Einstiege sehen wir in den Bereichen Digitale Kommunikation, Internet-Cloud sowie bei Cathy Woods Innovation-Aktien. Alle anderen Tech-Untergruppen notieren zu nah an den Hochs, um hier nun einen Swing-Einstieg anpeilen zu können – zumindest auf ETF-Basis. Für Aktien aus den Bereichen Software, Cybersecurity und natürlich alles, was mit Künstlicher Intelligenz (AI) zu tun hat, könnte man direkt auf einen Break-Out als Set-Up anpeilen oder – im Falle von den gehypten AI-Aktien – vielleicht eine etwas schärfere Korrektur abwarten – denn diese neuen Lieblinge der Hot Stock Trader sind schon ziemlich heiß gelaufen.
Das neue Superhirn in Unternehmen heißt AI.
Die Aktie des Unternehmens C3.ai (AI) hat sich seit Jahresbeginn verdoppelt. Gestern gab es einen scharfen Rücksetzer um etwa 15 %. Das in Redwood City, California ansässige Unternehmen weist eine Marktkapitalisierung von 2 Mrd. USD auf. Am 31. Januar kündigte C3.ai an, dass ihr Produkt C3 Generative AI Product Suite ab März 2023 auf den Markt kommen soll. Mit dieser KI-Software wird es möglich werden, dass relevante Daten innerhalb eines Unternehmens schnell in eine sprachintelligente Software eingepflegt werden können. Die Software kann dann zu einer Art Gehirn im Unternehmen anwachsen. Statt den Spezialisten für eine Problemlösung im Unternehmen anzurufen, kann vorab die KI in einem Gespräch “gelöchert” werden. Microsoft (MSFT) hat beim Börsengang 2020 in C3.ai investiert. Seit Dezember 2022 arbeitet C3.ai mit dem Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton (BAH) zusammen. Da Booz Allen Regierungsbehörden berät, könnte C3.ai somit für US-Behörden auf der KI basierende Lösungen für effizientere Prozessabläufe liefern.
Über 600 % seit Jahresbeginnn ist das Unternehmen BigBear.ai (BBAI) gestiegen. Mit einer Marktkapitalisierung von etwa 400 Mio USD ist es deutlich kleiner kapitalisiert als C3.ai. BigBear.ai liefert auf der KI basierende Lösungen zum Sammeln, Interpretieren und Synthetisieren von Daten, um Entscheidungen in Echtzeit treffen zu können. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Columbia, Maryland. Als Partner werden auf der Homepage die Cloud-Dienste AWS (Amazon) und Azure (Microsoft) genannt, aber auch die börsennotierten Software-Unternehmen Atlassian Corp. (TEAM) und Confluent Inc. (CFLT).
Dass das Unternehmen BigBear.ai auf seiner Homepage großflächig mit Bären werbt, sollten Börsianer vielleicht nicht zu “bildlich” nehmen.
Wasserstraßen laufen Landschienen den Rang ab
Relative Stärke zeigten zuletzt auch Aktien aus den Bereichen Transport, Touristik und Fluglinien. Am Donnerstag fiel mir eine gegenläufige Bewegung bei den Aktien aus den Bereichen Seetransport und Landtransport auf. Während der ETF für Schifffahrt (BOAT) gestern um 1,5 % nach oben schoss, verlor der ETF für andere Transportwege (IYT) um mehr als 2 %. Wenn Schifffahrtsaktien steigen, dann ist das in der Regel ein Zeichen, dass der Warenverkehr gut ausgelastet ist. In der Regel ein Hinweis, dass zyklische Branchen weiterhin auf der Gewinnerseite zu finden sein dürften.
Chemie und Stahl vor Konsolidierung ?
Wir sehen für einige, teils zyklische Branchen aber auch leichte Warnhinweise. Diese dürften nun nicht als Einladung zum Shorten interpretiert werden, könnten aber auf eine Underperformance in den nächsten Wochen innerhalb der Branchenrotation hinweisen. So verorten wir für Donnerstag in Charts aus ETFs aus den Bereichen Chemie (XLB), Biotech (XBI) und Cannabis (MJ) einen Schlusskurs unter einem höheren Tief. Gemäß simpler Dow-Theorie wird damit eine Konsolidierung eingeleitet.
Innerhalb des Industriesektors zeigte der Bereich Stahl (SLX) jüngst eine gewisse relative Schwäche zu anderen Industriebereichen. Diese könnte sich in Kürze aber auch wieder auflösen. In den letzten Monaten hat der Bereich Stahl eine deutliche Leader-Rolle im Industriebereich innegehabt.
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