Marktradar für Donnerstag, 15. Dezember 2022
Verlieren die Aussagen der FED für Börsianer nun an Gewicht?
Jerome Powell sprach, aber niemand hörte hin. So könnte man die Bewegungen in den großen US-Aktienindizes gestern ab 20:30 Uhr interpretieren. Als die Pressekonferenz gestern um 20:30 Uhr deutscher Zeit begann, hatte der ETF für den S&P 500 (SPY) bereits das Tagestief gesehen. Von 20:00 bis 20:30 Uhr fiel der SPY von 405 auf 397 Punkte. Der Zinsentscheid, der eine Erhöhung des US-Leitzinses um 0,5 Punkte brachte, kam nicht überraschend – die Börsianer verkauften Aktien trotzdem. Danach sprach Jerome Powell auf der diesmal recht kurzen Pressekonferenz mit Journalisten. Obwohl der FED-Vorsitzende auf die Fragen der Pressevertreter eher hawkish reagierte, also die Betonung auf der Inflationsbekämpfung und nicht auf einer Rezessionsbekämpfung lag, stiegen die großen US-Aktienindizes bis 22:00 Uhr noch ein bisschen an.
Überraschend war auch, dass die Volatilität zurückging, was grundsätzlich für heute eine positive Tendenz am Aktienmarkt andeuten sollte. Vorbörslich ist aber das Gegenteil der Fall. Momentan (Stand 13:30 Uhr vormittags) liegen die Futures für US-Aktienindizes ca. 1 % im Minus.
Sehen wir eine Jahesendrallye oder eine Jahresanfangsrallye ?
Viele Händler werden zum Wochenende ihre Bücher schließen. Ich persönlich halte eine Jahresanfangsrallye nun für wahrscheinlicher als eine Jahresendrallye. Im besten Falle sehen wir beides.
Warum?
Steigendes Transportvolumen ist nicht eingepreist
Börsianer werden nun weniger auf die Zinspolitik der FED achten, sondern vermehrt auf die Wirtschaftsdaten schauen. Falls eine Rezession umschifft werden kann, dann dürften Börsianer das mit steigenden Kursen auf breiter Front honorieren. Falls die Rezession kommt, dann dürften – bleiben wir mal beim “Umschiffen” – Aktien aus dem Bereich Seetransport nicht mehr allzu tief fallen. Denn Aktien aus dieser Branche weisen aktuell KGVs zwischen 2,5 und 4 auf. Da sollte eine wirtschaftliche Abkühlung und damit verbunden eine geringere Nachfrage nach Gütern längst eingepreist sein. Und wenn die Rezession umschifft werden kann, dann wird das Transportvolumen per Wasser, Luft und Schiene steigen. Und so ein Szenario ist aktuell überhaupt nicht eingepreist.
Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?
Konzentrieren wir uns erst einmal auf den oben erwähnten Bereich Seetransport.
Schauen wir uns mal genauer die Bewertung von Aktien aus dem Bereich Seetransport an:
Vier Schiffahrtsaktien, die jetzt nicht “umschifft” werden sollten
Matson (MATX; Marktkapitalisierung: ca: 60 Mrd. $) ist der an der Börse notierte Big-Player aus der Branche und betreibt hauptsächlich Trockencontainer, die nahezu alles transportieren können – von Kühlprodukten bis hin zu Vieh. Das KGV für 2022 liegt bei 2 und soll bis 2024 auf 12 steigen. Eine Rezession ist damit in den Schätzungen eingepreist, und zwar in so hohem Maße, dass selbst ein Worst-Szenario die Aktie noch günstig bewertet erscheinen lässt: Historisch weist die Aktie nämlich KGVs zwischen 4 und 30 auf.
Global Ship Lease (GSL; Marktkapitalisierung: ca. 17 Mrd. $) besaß zum 10. März 2022 rund 65 Containerschiffe. Das KGV für 2022 liegt bei 2,4 und soll bis 2024 auf ca. 1,4 fallen. Historisch weist die Aktie KGVs zwischen 6 und 20 auf.
Die Genco Shipping und Trading Limited (GNK; Marktkapitalisierung: ca. 14 Mrd. $) besaß zum 31. Dezember u.a. 44 Massengutfrachter. Das Unternehmen hat sich auf die Vercharterung von Trockenmassengütern wie Eisenerz, Kohle, Getreide, Stahl fokussiert. Das KGV für 2022 liegt bei 3,5 und soll bis 2024 auf ca. 4,4 steigen. Eine Rezession ist damit in den Schätzungen eingepreist – wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als bei Matson. Historisch weist die Aktie KGVs zwischen 3 und 6 auf.
Die SFL Corp. (SFL; Marktkapitalisierung: ca. 1,3 Mrd. $) besaß zum 31. Dezember 2021 u.a. 6 Rohöltanker, 15 Massengutfrachter, 35 Containerschiffe. Das Unternehmen ist hauptsächlich auf Bermuda, Zypern, Liberia, Norwegen, Singapur, dem Vereinigten Königreich und den Marshallinseln unterwegs. Das KGV für 2022 liegt bei 7,5 und soll bis 2024 auf ca. 6,6 fallen. Historisch weist die Aktie KGVs zwischen 6 und 18 auf.
Diese Auflistung mag genügen, um aufzuzeigen, auf was für einem geringen Bewertungsniveau wir diese Aktien nun kaufen könnten. Charttechnisch befinden sich alle diese Aktien noch in einer Bodenbildungsphase, die sich im unteren Bereich und damit in einem noch frühen Stadium befindet. Dass die Tiefs vom Oktober in diesen Aktien unterschritten werden, halte ich schon von der Bewertung her für ziemlich abwegig. Selbst eine harte Landung der US-Wirtschaft dürfte diese Aktien nicht viel tiefer fallen lassen.
Ansonsten sehen wir unter dem Radar für heute relativ wenige Verschiebungen.
Entry-Stempel vergeben wir für heute nur innerhalb des Sektors Finanzdienstleistungen, und zwar für die Branchen Versicherungen und Broker, Börsenbetreiber.
Drei Aktien aus dem Bereich Brokerage / Exchange
Die Aktie von Interactive Brokers (IBKR) hat zuletzt ein tieferes Tief und ein tieferes Hoch ausgebildet und nun auch das letzte tiefere Tief unterschritten. Daher würde ich die Aussichten für diese Aktie nun bestenfalls neutral einschätzen.
Die Aktie der Nasdaq (NDAQ) hat am 7. Dezember ein höheres Tief nach unten unterschritten und scheint damit ebenfalls nun bestenfalls eine Konsolidierung auf höherem Niveau einzuläuten. Ein Angriff auf alte Hochs ist aktuell kein Thema in dieser Aktie.
Die CME Group (CME), hinter der sich die Chicago Mercantile Exchange verbirgt, kann sich noch über dem letzten höheren Tief vom 7. Dezember halten und konnte zuletzt zwei höhere Hochs ausbilden. Bei diesem Börsenbetreiber ist das Trendverhalten also noch in Ordnung. Sollte die Aktie heute über dem Tief vom 7. Dezember bei 174,35 $ schließen, dann könnte auf eine Trendfortsetzung spekuliert werden.
Die Aktien aus dem Bereich Broker / Exchange bestätigen also nicht wirklich den Entry Stempel, den wir heute für den entsprechenden ETF (IAI) vergeben.
Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.
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