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Marktradar vom 30. Mai 2023

Marktradar vom Dienstag, 30. Mai 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Dienstag, 30. Mai 2023

KI im Newsflow wird zum Garant für steigende Kurse

Growth schlägt Value – aber nur wenige merken das

Der ETF für den Russell 1000 Value erhält für diesen Dienstag den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell-Off spekulieren”. Am Donnerstag, den 25. Mai, bildete der ETF ein neues Zwischentief, das unter dem Tief vom 16. Mai lag. Damit muss mit einer Ausweitung der laufenden Korrekturbewegung gerechnet werden. Die fünf größten Positionen sind in diesem ETF zusammen etwa 12,5 % gewichtet: Berkshire Hathaway (3,21 %), Meta Platforms (2,47 %), Exxon Mobil (2,43 %), Johnson & Johnson (2,27 %), JPMorgan Chase (2,21 %). 

Der ETF für den Russell 1000 Growth (IWF) erhält für diesen Dienstag den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”. Am Mittwoch, 24. Mai, bildete der ETF ein höheres Tief, von dem aus der ETF an zwei Handelstagen nach oben katapultiert wurde – natürlich auch dank der Aktie von Nvidia, die in der vergangenen Handelswoche um sensationelle 24,57 % stieg. Mit Hilfe dieses Kursschubes wurde am Freitag im IWF-ETF ein neues 9-Monats-Hoch erreicht: erstmals konnte das Zwischenhoch vom 15. August 2022 überschritten werden. Prozyklisch wird damit ein starkes Kaufsignal generiert.

Schauen wir uns auch für diesen ETF die größten Positionen an: Im IWF-ETF sind Apple und Microsoft die beiden mit Abstand am höchsten gewichteten Positionen: Apple ist mit 12,82 % und Microsoft mit 12,02 % gewichtet. Zusammen machen beide Aktien also fast ein Viertel der Gewichtung im IWF-ETF aus.

Nvidia ist im IWF-ETF mit 4,43 % gewichtet und stellt nach Amazon (5,04 %) die viertgrößte Position dar. Durch den starken Kursanstieg in der vergangenen Handelswoche kratzte Nvidia an der Marktkapitalisierung von 1 Billion US-Dollar (aktuell noch ca. 960 Mrd. US-Dollar). Zum Vergleich: Apple ist aktuell mit ca. 2,7 Billionen US-Dollar und Microsoft mit 2,5 Billionen US-Dollar kapitalisiert.

Growth schlägt Value nur partiell – in der Breite bremst Value Growth immer noch aus

Gemäß Risk-On / Risk-Off Logik sollten wir uns damit in einem aufwärts gerichteten Gesamtmarkt befinden. Denn wenn Wachstum für Börsianer ein stärkerer Kaufgrund  ist als die Bewertung, dann sollte der Risikoappetit an der Börse eigentlich keine wirklichen Grenzen kennen. Je höher der Appetit, desto stärker werden hohe Bewertungen ignoriert. Der Risikoappetit ist aktuell jedoch nur in wenigen Branchen und Aktien hoch. Wir haben den Eindruck, dass KI-Aktien ein Eigenleben jenseits des lethargischen Gesamtmarktes entwickeln – in der vergangenen Handelswoche wurde das noch deutlich sichtbarer als die Wochen zuvor. 

Wenn Künstliche Intelligenz im Newsflow einzelner Unternehmen nicht vorkommt, dann greifen Börsianer (noch) nicht beherzt zu. 

Die Profiteure der Künstlichen Intelligenz kommen aus der Halbleiter- und Software-Industrie – und natürlich bilden Rechenzentren das Herz der Ressourcenpower, die nun eine unglaubliche Nachfrage erlebt. Schließlich muss die KI mit Daten gefüttert werden, um Deep-Learning Prozesse nicht nur in Gang zu halten, sondern auch sequenziell wachsen zu lassen: nur wer jetzt Geld in die Power von Rechenleistungen steckt, wird im Rennen um die KI-Vorherrschaft nicht abgehängt. Dieser Satz wird durch die Nvidia-Zahlen zum Quartalsbericht, die am Mittwoch nach Börsenschluss gemeldet wurden, von vielen Börsianern nun wohl richtig kräftig unterstrichen. Nvidia verzeichnete nämlich beeindruckende Rekordumsätze im Rechenzentrums-Geschäft: Das Geschäft wuchs im Vergleich zum Vorquartal um enorme 18 % und im Jahresvergleich um 14 %. Die generative KI steigert die Nachfrage nach Nvidia Produkten exponentiell: Cloud-Service-Provider (CSPs) setzen weltweit auf NVIDIAs Flaggschiff-GPUs: Microsoft Azure, Google Cloud, Oracle Cloud Infrastructure und Amazon Web Services (AWS) zählen zu den Kunden von Nvidia.  Meta Platforms nutzt auch Produkte von Nvidia, diese werden für den KI-Supercomputer Grand Teton benötigt. Nvidia bedient auch Kunden aus der Gaming-Industrie – auch in diesem Bereich konnte Nvidia Mittwoch nachbörslich punkten. Zudem beginnen nun auch Unternehmen aus Branchen jenseits des Technologiesektors – wie unter anderem die Automobilindustrie, Banken und Versicherungen, das Gesundheitswesen, die Telekommunikationsbranche – damit, in Rechenpower zu investieren. Wir stehen hier wohl erst am Anfang eines enormen Wachstumsschubs, der für die Wirtschaft in ihrer ganzen Breite enorme Auswirkungen haben wird.

Noch ist von dieser Breitenwirkung an der Börse aber nicht viel zu sehen – schauen wir uns dazu einmal den Chart des ehrwürdigen Dow Jones Industrial Index an. Der entsprechende ETF (DIA) erhält für heute den Tagesstempel “Unter Beobachtung” und hat zuletzt ein tieferes Hoch und ein tieferes Tief ausgebildet. Wie im Russell 1000 Value muss von Seiten der Charttechnik auch im Dow Jones Index mit einer Ausweitung der laufenden Korrekturbewegung gerechnet werden.

Eine ebenso praktisch noch nicht vorhandene Breitenwirkung der KI auf die Aktienkurse gilt für die Version des S&P 500, der die Aktien gleichgewichtet abbildet: Der RSP-ETF erhält bereits den düsteren Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell-Off spekulieren”. Mit dem Anstieg vom Freitag konnte der RSP-ETF immerhin kurzfristig die 140er Marke zurückerobern. Nun bedarf es für diese Handelswoche schon einer dynamischen Rallye Richtung 144 US-Dollar (Schlusskurs am Freitag: 141,09 US-Dollar), damit der RSP-ETF sich aus dem Sumpf der Trauer-Lethargie herauswinden kann. Wenn das nicht gelingt, droht im Chart des RSP-ETF in Kürze ein erneuter Rutsch unter die 140er Marke.

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?

Digitale Infrastruktur Architekten werden wieder hoffähig

Auffällig war die Umkehrbewegung, die der GX Data Center Reits & Digital Infrastructure ETF (VPN) am Donnerstag und Freitag vollzogen hat. Seit Ende Februar 2023 bewegt sich der ETF in einer Seitwärtsrange zwischen 12,20 und 13,30 US-Dollar. Mit den starken Ergebnissen von Nvidia für den Bereich Rechenzentren scheinen Börsianer nun auch die Unternehmen, die diese Infrastruktur zur Verfügung stellen, schärfer in den Blick zu nehmen. Denn der VPN-ETF scheint nun mit den sensationell starken Zahlen von Nvidia eine starke Umkehrbewegung zu vollziehen. Wurde am vergangenen Mittwoch im VPN-ETF noch der tiefste Kurs seit Jahresbeginn erreicht (Schlusskurs am Mittwoch: 12,20 US-Dollar), so notiert der VPN-ETF am Freitag bereits recht nah an der oberen Range (Schlusskurs am Freitag: 13,02 US-Dollar). Das sieht mir stark nach Sinneswandel aus.

Equinix (EQIX; im VPNETF mit 13,14 % gewichtet) stellt die digitale Infrastruktur für Unternehmen her und Digital Realty Trust (DLR; im VPN-ETF mit 4,55 % gewichtet) betreibt Rechenzentren. Beide Aktien machten die starke Bewegung des VPN-ETFs am Donnerstag und Freitag nahezu 1:1 mit und könnten nun vermehrt in den Fokus von Investoren rücken, die an der Börse vom zukünftigen Boom Digitale Infrastruktur profitieren wollen und dabei zugleich defensive Werte bevorzugen wollen.

Da es sich bei diesen beiden Aktien um REITs-Modelle handelt – die Gewinne also in hohem Maße über Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet werden – handelt es sich um relativ krisensichere und defensive Wertanlagen, weil die Unternehmen wiederkehrende Einnahmen aus der Vermietung von Soft- und Hardware generieren. 

Allerdings sind diese Aktien alles andere als Schnäppchen. Equinix wird aktuell mit einem KGV von um die 80 und einem KUV von etwa 9 bewertet. Digital Realty Trust mit einem KGV von um die 90 und einem KUV von etwa 4. 

Super Micro Computer ist immer noch viel zu günstig bewertet

Wem diese Aktien zu teuer sind, der sollte sich die Aktie von Super Micro Computer (SMCI) genauer ansehen. Das Unternehmen bietet Server-Lösungen für Unternehmen an, verwendet dabei neben AMD- oder Intel-CPUs auch die für die KI so wichtigen Grafikprozessoren von Nvidia. Super Micro Computer hat Anfang vergangener Woche sein Angebot für Rechenzentren mit flüssigkeitsgekühlten NVIDIA HGX H100 Rack Scale-Lösungen erweitert. Damit wird nicht nur die Vorlaufzeit für die komplette Installation verkürzt, auch die Leistung wird erhöht und die Kosten für den Betrieb werden gesenkt. Die Einsparungen für ein Rechenzentrum betragen mit den neuen Lösungen schätzungsweise 40 % beim Stromverbrauch und können die direkten Kühlkosten im Vergleich zu bestehenden Rechenzentren um bis zu 86 % reduzieren. Da ist es kein Wunder, dass die Kunden nun bei Super Micro Computer Schlange stehen. 

Im Vergleich zu Equinix und Digital Realty Trust wird Super Micro Computer zu einem Ramschpreis an der Börse verhökert. Aktuell wird Super Micro Computer mit einem KGV von etwas über 20 und einem KUV von unter 2 bewertet. Börsianer sollten sich wegen des rasanten Kursanstieges der Aktie nicht vom Kauf oder Nachkauf abschrecken lassen. Auch wenn die Aktie seit Jahresbeginn um 170 % gestiegen ist, kann sie immer noch von Schnäppchenjägern eingesammelt werden.

Technologie als einsamer Vorläufer

Branchen, die trendfolgend gehandelt werden können, also den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” erhalten und zugleich mit höheren Hochs und höheren Tiefs in den Charts glänzen, finden sich fast ausschließlich im Technologiesektor

Cathy Wood schwimmt jetzt mit

Nahezu alle ETFs von Cathy Wood sind auch trendfolgend kaufbar. Nun scheint der KI-Schwung auch in der Breite im Cathy Wood Innovation-Universum anzukommen. Unternehmen, deren Wachstum auf Innovationen beruht, werden aktuell wieder von Börsianern gesucht.

Autos und Luxus laufen auch mit

Als einzige Branche, die nicht technologielastig ist und dennoch als trendfolgend kaufbar vom Marktradar eingeschätzt wird, kommt nur noch der Bereich zyklische Konsumgüter (XLY) hinzu: hier lassen sich beispielsweise die Automobilbranche und der Bereich Luxusgüter einordnen.

Hausbau Short

Eine Chance auf der Short-Seite im Rahmen von Trendfrüherkennung sehen wir nun im Bereich Hausbau (XHB): Der ETF hat am Mittwoch ein tieferes Tief ausgebildet. Die Aufwärtsdynamik am Donnerstag und Freitag verlief relativ schwach bzw. war eigentlich nicht vorhanden. Der Wille, in Aktien aus dieser Branche trendfolgend nachkaufen zu wollen, scheint bei Investoren zu schwinden. Daraus kann sich nun der Anfang einer länger andauernden Korrekturbewegung entwickeln. Einige Hausbau-Aktien haben bereits etwas deutlicher als der ETF korrigiert: Lennar (LEN) oder KB Home (KBH) beispielsweise. Andere wie Toll Brothers (TOL) konnten am Donnerstag infolge einer Analysten-Hochstufung ein neues 52-Wochen-Hoch erklimmen. Die Hausbau-Aktie Pulte Group (PHM) eröffnete am vergangenen Dienstag mit einem Down-Gap. In dieser Aktie könnte ein Short-Einstieg  mit einem Stopp-Loss über dem Down-Gap bei etwa 68 US-Dollar abgesichert werden (Schlusskurs am Freitag: 65,87 US-Dollar).

Kupfer Short

Eine Swing-Chance auf der Short-Seite sehen wir für den Kupferpreis. Der Future mit Verfall Juli (HGN23) könnte trendfolgend Short gehandelt werden. Ein Testen der Marke von 3,50 könnte das erste Ziel dieses Swing-Trades werden. Das entspricht etwa einer Streckenbewegung von 5 % mit dem Start Schlusskurs vom Freitag (3,682).

Im Bereich Aktien könnte diese Short-Idee auf Freeport McMoRan (FCX) angewendet werden.

Energieaktien vor Energieschub ?

Relativ interessant sieht aktuell der Bereich Energie aus. Sowohl Old-Energy (Öl und Gas) als auch Green Energy (hier insbesondere Solar) haben in den entsprechenden ETFs zuletzt höhere Tiefs ausgebildet und senden Signale für einen Long-Einstieg über die Trendfrüherkennung aus.

Womöglich stehen Produktionssenkungen bei der Ölförderung an, die die Preise für den Ölpreis in Kürze steigen lassen könnten. Die Opec+ trifft sich in dieser Woche. Der saudische Energieminister, Prinz Abdulaziz bin Salman, hatte Börsianer in der vergangenen Woche bereits gewarnt, auf einen fallenden Ölpreis zu setzen. Seit Anfang Mai sehen wir im ETF für die Ölförderer (XOP) eine recht konstruktive Form einer Bodenbildung.

Auch im Chart des ETF für den Bereich Solar (TAN) können wir eine konstruktive Form einer Bodenbildung erkennen. In den vergangenen sechs Handelstagen hat der TAN-ETF dreimal die 70 US-Dollarmarke erfolgreich getestet. Mit einem engen Stopp-Loss knapp unter 70 US-Dollar könnte im TAN-ETF ein Long-Einstieg gewagt werden. Ein solches Long-Manöver mit attraktivem Chance-Risiko-Verhältnis kann aktuell auch mit den Aktien von SolarEdge (SEDG) oder Enphase (ENPH) umgesetzt werden. Insbesondere im Chart von Enphase ist die Volatilität deutlich zurückgegangen, so dass Trader hier mit begrenztem Risiko über einen vergleichsweise engen Stopp-Loss auf die nächste Up-Bewegung spekulieren können.

NIMMSTA Finanzierungsrunde