Genomic contra Lithium: wo wird gepokert, wo nicht?
In der von der CBOE veröffentlichten Put Call Ratio sahen wir am Mittwoch zur Eröffnung einen Wert von über 1,40. So ein hoher Wert ist für Daytrader ein ziemlich verlässliches Signal, dass der SPY zum Handelsschluss höher stehen wird als zur Eröffnung. Und so kam es dann auch.
Korrektur im SPY nun bis 400 oder bis 390 Punkte?
Am Mittwoch wurde im SPY die 400er Marke zweimal erfolgreich getestet: jeweils gegen 18 bzw. 19 Uhr deutscher Zeit. Als dann um 20 Uhr das Sitzungsprotokoll der FED veröffentlicht wurde, stieg der SPY abrupt von 401 auf etwas über 402,50 Punkte. Am Ende schloss der SPY bei 402,42 und damit knapp über dem Bewegungshoch aus der 46. Kalenderwoche, das bei 402,31 lag.
Blickt man auf den Tageschart des SPY, dann sollte das Bewegungstief vom 17. November, das bei 390,14 liegt, nicht mehr unterschritten werden. Womöglich bildet die 400er Marke nun eine horizontale Unterstützung auch im Tageschart ab.
Technischer Analyst & Wikifolio Trader
Für einen kurzfristigen Rücksetzer im SPY spricht aktuell folgendes: Die Divergenz im VVIX gegenüber dem VIX und auch dem SPY hat sich gestern noch verstärkt. Der VVIX, also die Volatilität der Volatilität, stieg um 5 % an. Der VIX, der die implizite Volatilität im S&P 500 misst, fiel dagegen um über 4 %. Solche anomalen Differenzen deuten meistens an, dass wir vor einer zumindest kurzfristigen Trendwende im Aktienmarkt stehen.
Falls es im SPY also in der kommenden Handelswoche einen Pullback gibt, dann sollte dieser – sofern man auf eine Fortsetzung der Bärenmarktrallye setzt -, spätestens über 390 Punkten sein Ende finden.
Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?
Wir sehen sowohl Licht als Schatten, was einzelne Branchen betrifft. Beginnen wir mit dem Schatten:
Einige Branchen nun mit Sell Off Gefahr?
Erstmals seit längerer Zeit erhalten einige Branchen nun wieder den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell off spekulieren”. Vier Branchen und ein Sektor werden für heute auf diese bärische Ausrichtung abgestuft: Aktien aus dem Lithium (LIT) und dem Internet-Cloud (WCLD) Bereich sind betroffen; außerdem Fintech, Genomic (beide über die entsprechenden Cathy Wood ETFs ARKF und ARKG) und etwas übergeordnet der Biotechnologie-Sektor (XBI). Alles Bereiche, die gemäß Risk-On / Risk-Off Logik dem Risk-On Part zuzurechnen sind. Und damit könnte diese Abstufung – sofern diese nun über mehrere Handelstage Bestand haben sollte – als ein Warnzeichen für den Gesamtmarkt gelten. Aber noch ist es nicht soweit. Dazu unten gleich mehr.
Zwei Branchen konnten dieser Abstufung für heute knapp entgehen: Clean Energy (QCLN) und die zyklischen Konsumgüter (XLY). Clean Energy schaffte es sogar, vom Tagesstempel “Unter Beobachtung” direkt auf “Kaufen oder Aufstocken” hochgestuft zu werden. Die zyklischen Konsumgüter werden von “Unter Beobachtung” auf “Bodenbildung oder Seitwärts” hochgestuft.
Wo wird geblufft, wo nicht?
Da mein Marktradar Modell mehr zukunfts- als vergangenheitsbezogen eingestellt ist, sollen die Tagesstempel auch vorlaufend und nicht nachlaufend interpretiert werden können. Das bringt es mit sich, dass wir es auch mal mit Täuschungsmanövern des Marktes zu tun bekommen, der uns Trader kurzfristig in die falsche Richtung lenken möchte. Daher sollte man solche Abstufungen nicht als “bare Münze” nehmen, sondern vielmehr als die ersten zwei Karten im Blatt eines Pokerspielers; oder – um ein anderes Spiel für einen Vergleich zu verwenden: eine 1:0 Führung kann im Fußball trotz Überlegenheit in einer 1:2 Niederlage enden. Und da die Börse bekanntermaßen das Spiel aller Spiele darstellt, entscheidet nie der, der wettet, über den Ausgang des Spiels, sondern der, der am Tisch, auf dem Rasen oder auf dem Parkett hier und jetzt die Gegenspieler “ausgetrickst” hat.
Um das zu verdeutlichen, schauen wir uns mal die Aktie Vertex Pharmaceuticals (VRTX) an. Das Biotechnologieunternehmen hat sich auf “Nischenkrankheiten” spezialisiert, deren Ursache nicht selten als genetisch bedingt gilt – so beispielsweise die auf einem Gendefekt beruhende Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose, von der weltweit mehr als 80.000 Menschen betroffen sind. Vertex bietet bereits vier Medikamente an, die für die Patienten das Leiden an dieser Krankheit lindert, und forscht und arbeitet weiterhin daran, noch mehr Medikamente gegen diese Krankheit marktfähig zu machen. Außerdem bietet Vertex Medikamente gegen Schmerzen, Bluterkrankungen, Lungen- und Nierenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen und Muskelerkrankungen an.
Vertex ist keine reine “Genomic” Aktie, kooperiert aber mit den im Genomic Bereich führenden Unternehmen – wie beispielsweise Moderna oder CRISPR Therapeutics -. Vertex Pharmaceuticals arbeitet seit 2016 profitabel und gilt wegen vieler potentieller, neuer wirksamer Produkte bei Analysten als eine der aussichtsreichsten Werte aus dem Biotechsektor.
Am Dienstag erreichte die Aktie dementsprechend auch ein neues Allzeithoch. Der Breakout wurde am Mittwoch vom Markt vorerst aber nur als Täuschungsmanöver initiert, denn die Aktie verlor gegen den Gesamtmarkt und schloss unter dem Ausbruchslevel. Sollte dieses (das um die Zone 318 bis 320 $ im Chart verortet ist) in den nächsten Tagen zurück erobert werden, dann stehen die Chancen recht gut, dass auch die Abstufung von Cathy Woods Genomic ETF nur ein Täuschungsmanöver des Marktes gewesen ist, um uns Trader zu “bluffen”.
Aktien aus dem Lithium Bereich sehen für mich – im Unterschied zu Genomic Aktien – aber nun wirklich wie potentielle Short Kandidaten aus. Da sieht nichts nach Täuschungsmanöver aus. Die jüngste Erholung in Aktien wie Albemarle (ALB), Livent (LTHM) oder Standard Lithium (SLI) sieht ziemlich schwach aus. Insbesondere bei Livent und Standard Lithium ist gut zu erkennen, dass die jüngste Erholung von einem schwachen Handelsvolumen begleitet wird. So sieht keine starke Gegenwehr aus. Diese Aktien sollten die Novembertiefs in Kürze unterschreiten.
Diese Prognose wird noch plausibler erscheinen, wenn wir uns die Genomic Aktie CRISPR (CRSP) Therapeutics im vergleich zu den Lithium Aktien ansehen: dort sahen wir zuletzt auch ein zurückgehendes Handelsvolumen – allerdings während einer Korrekturbewegung und nicht wie z.B. bei Livent während einer Erholungsbewegung. Bei Livent wurde der Abverkauf zuvor von erhöhten Handelsvolumen begleitet, bei CRISPR Therapeutics wurde die Erholungsbewegung zuvor von erhöhten Handelsvolumen begleitet.
Wer Pair Trades mag, könnte nun CRSP Long traden und LTHM Short traden.
Nun kommen wir zum Licht bei den Branchen und Sektoren:
Goldminen laufen dem Goldpreis weiterhin voraus
Zahlreiche Aktien und auch Branchen ETFs sind am Mittwoch aus einem Henkel nach oben ausgebrochen. Interessant wird dabei der Ausbruch aus dem Henkel bei ETFs für den Goldpreis (GLD) und für die Goldminen (GDX). Der Goldpreis ist am Mittwoch aus einem Henkel nach oben ausgebrochen, die Goldminen aber bereits am Dienstag. Damit sind die Goldminen gegenüber dem Goldpreis vorlaufend. Zum einen haben die Goldminen den Ausbruch aus der kleinen Korrektur einen Tag früher als der Goldpreis geschafft; zum anderen haben die Goldminen das Bewegungshoch vom 15. November am Mittwoch überschritten. Der Goldpreis hingegen notiert noch recht deutlich unter dem Bewegungshoch vom 15. November.
Gemäß Risk-On / Risk Off Logik zeigen die Goldminen also weiterhin relative Stärke zum Goldpreis. Daher kann laut dem Marktradar Modell eine klare Prognose gegeben werden: der Goldpreis und die Goldminen werden weiter steigen, denn Risk-On zieht Risk-Off immer hinter sich her.
Defensive Branchen spielen nun die Vorreiterrolle
Neben Ausbrüchen aus Henkeln sahen wir am Mittwoch auch Aktien und Branchen ETFs, die aus flachen Basen nach oben ausgebrochen sind. Diese haben das aber nur nachlaufend geschafft: In den beiden vorherigen Marktradar Kolumnen hatte ich bereits ausgeführt, dass die Branchen Basiskonsumgüter, Versicherungen, Versorger, Healthcare und Industrie schneller den Ausbruch schafften. Daher sollten diese fünf Branchen nach einer kurzen Korrektur auch die sein, denen eine Vorreiterrolle zukommt. Diese hat solange Bestand, bis wir vom Markt ausgetrickst wurden und der Markt uns andere Vorläufer präsentiert.
Die die aktuellen Vorläufer – mit Ausnahme von “Industrie” – defensive Branchen sind, die dem Risk-Off bereich zuzuorden sind, befinden wir uns laut Marktradar in einer Bärenmarktrallye und nicht in einem nachhaltigen Trendwechsel vom Bären- in einen Bullenmarkt. Zumindest noch nicht. Vielleicht trickst uns der Markt hier bald aus. Den Bullen würde das dann gut zu Pass kommen.
Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.
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