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Marktradar vom 28. November 2022

Marktradar vom Montag , 28. November 2022 von Stefan Pröhl

Defensive Branchen sehen etwas überkauft aus
Der SPY schloss am verkürzten Black Friday Day unterhalb des Schlusskurses vom Mittwoch, aber oberhalb der Eröffnung. Die 400er Marke wurde nicht angetastet. Freitag war bekanntlich Schnäppchentag. Sind die 400 Punkte im SPY nun ein Schnäppchenpreis oder nicht?
Das Vertrauen in Trendfolgestrategien steigt weiter an
Am Freitag sahen wir im S&P 500 den fünften Tag in Folge mehr 52-Wochen-Hochs als 52-Wochen-Tiefs. Damit ist das Vertrauen in Trendfolgestrategien für US-Aktien wieder gestiegen. Seit dem 25. Oktober sehen wir im S&P 500 an den meisten Tagen mehr 52-Wochen-Hochs als 52-Wochen-Tiefs. Zwischendurch gab es in kurzen Intervallen aber immer wieder einzelne Tage, an denen dann doch mehr 52-Wochen-Tiefs als 52-Wochen-Hochs gezählt wurden. 

In einem auch in der Marktbreite trendstarken Markt dürfte es solche Tage gar nicht geben.

Stefan Pröhl

Technischer Analyst & Wikifolio Trader

Ein ebenfalls beliebter Indikator für einen Start in den Trendfolge Modus ist der RSI Wilder in der 6-Monats-Einstellung. Wenn dieser Indikator über 50 steigt, dann wird mancher Portfoliomanager gewillt sein, die Long Quote zu erhöhen und Aktien auch länger zu halten. Dieser Indikator ist im SPY am Mittwoch, dem Tag vor Thanksgiving, erstmals seit dem 25. August wieder über 50 gestiegen.
Nimmt man jedoch den Dow Jones Industrial Index (ETF Kürzel: DIA) und nicht den S&P 500 (SPY) als Maßstab für US-Aktien, dann ist der DIA bereits am 28. Oktober im RSI in der 6-Monatseinstellung über die 50er Marke gestiegen. Der DIA läuft also dem SPY voraus.
Gemäß Risk-On / Risk Off Logik finde ich beim Paar DIA / SPY eine Bewertung schwierig. Ist der DIA riskanter oder ist der SPY riskanter?
Wenn mehr Geld in den DIA als in den SPY fließt, dann könnte man schlussfolgern, dass Fondsmanager sich gezwungen sehen, Geld in US-Aktien zu stecken. Wer zwar weiß, dass er kaufen will, aber nicht weiß, was er kaufen soll, der kauft die 30 Aktien aus dem Dow Jones Index.
Ich beobachte den DIA für den Marktradar eigentlich nicht und werde das auch weiterhin nicht tun. Ab und zu ihn sich mal anzusehen, kann aber nicht schaden.
Die Volatilität der Volatilität (VVIX) schloss am Freitag leicht im Plus, ebenso der VIX. Da der SPY leicht im Minus schloss, ist die am Mittwoch beobachtete, recht extreme Divergenz nun verflogen. Solche Divergenzen haben nur eine kurze Halbwertzeit und können an einem Handelstag später, falls diese Divergenz dann nicht fortbesteht, guten Gewissens ad acta gelegt werden.
Wäre eine solche Divergenz VVIX contra SPY aber über einen längeren Zeitraum vorherrschend, dann war diese in der Vergangenheit ein verlässlicher Signalgeber für eine baldige Korrektur im US-Aktienmarkt. Wir achten also für den S&P 500 weiterhin auf die Relation Volatilitätsmessung zur Kursbewegung. Sollten sich Divergenzen häufen, dann berichten wir das hier.
Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes?
Am Freitag waren defensive Branchen, allen voran REITs-Aktien, gefragt. Auch Banken, Getränkehersteller und Travel-Stocks waren gefragt. Zu den Verlierern gehörten Semiconductor Aktien und eigentlich alles, was mit Technologie und Internet zu tun hat.
Keine Schnäppchenkäufe bei Lithium Aktien
Außerdem wurden Lithium Aktien verkauft. Die am Freitag im Marktradar erwähnte Aktie Livent (LTHM) gab zweistellig nach und testete schneller als von mir erwartet das wichtige Unterstützungslevel um 26 $. Albemarle (ALB) verlor etwa 4 %, hängt charttechnisch nun in der Luft. Standard Lithium (SLI) konnte sich aber einem Kursrutsch entziehen und schloss nur geringfügig im Minus.
Dünne Handelsumsätze: Am Black Friday sucht man Schnäppchen außerhalb der Börse
Wegen der dünnen Handelsumsätze sollte in die Bewegungen vom Black Friday nicht zu viel hineininterpretiert werden. Es bleibt dabei, dass defensive Branchen die Vorreiterrolle in der Sektorrotation spielen, die ab dem 10. November begann: an diesem Tag konnte der SPY den Widerstand bei 390 Punkten bei hohem Handelsvolumen “überrennen”.
Prognosen in die Zukunft funktionieren am besten schubweise
Generell sollten Sektorrotationen, sofern diese für Prognosen in die Zukunft genutzt werden sollen, immer wieder neu angezählt werden: und zwar dann, wenn die großen US-Aktienindizes einen mächtigen Schub nach oben machen. So machen das die Bullen. Die Bären zählen dann neu, wenn es einen mächtigen Schub nach unten gibt.
Viele Aktien aus den von mir nun bevorzugten defensiven Branchen Basiskonsumgüter, Healthcare, Versicherungen, Versorger sehen aktuell etwas heiß gelaufen aus.
Eine nicht überkaufte Healthcare-Leader Aktie
Aus dem Healthcare Bereich finde ich aber Dexcom (DXCM) weiterhin interessant. Dexcom ist der Branche Gesundheitsdiagnostik zuzuordnen und dort im Bereich Diabetes. Die Firma ist Spezialist für die kontinuierliche Überwachung und Messung des Glukosewertes in Echtzeit. Nach starken Earnings notiert die Aktie am unteren Ende einer flachen Basis. Die obere Begrenzung der flachen Basis liegt bei 120 $. Die untere Begrenzung bei 110 $. Die Aktie schloss am Freitag bei 112 $.
Pre-Earning Wette auf Dycom Industries war nicht erfolgreich
Die Pre-Earning Wette auf Dycom Industries (DY) hat leider nicht gut funktioniert. Der Industriedienstleister, der u. a. Glasfaserkabelverlegungsarbeiten betreut und überwacht, meldete am vergangenen Dienstag vorbörslich zwar einen Quartalsgewinn, der recht deutlich über den Schätzungen lag. So weit so gut. Die erzielten Umsätze enttäuschten aber. Was die Börsianer schließlich schockte, das war die Umsatzprognose für das 4. Quartal, die deutlich unter dem lag, was erwartet wurde. Da die Aktie kein Schnäppchen ist, wird sie vor allem am Wachstum gemessen, zumal das Unternehmen klarer Profiteur von den Infrastrukturprogrammen der Biden-Regierung ist. Die Aktie ist nach Bekanntgabe der Zahlen abgestraft worden. Dycom notiert ca. 15 % unter dem Kurs vor Bekanntgabe der Quartalszahlen. Ich streiche Dycom Industries vorerst aus meiner Watchlist für den Marktradar.
Wird die neue Pre-Earning Wette erfolgreicher verlaufen?
Eine Pre-Earning Wette für diese Woche könnte in Pure Storage (PSTG) eingegangen werden. Das Unternehmen stellt für seine Kunden Flash-Datenspeicherlösungen her und gehört hier zu den führenden Anbietern. Der CEO bekundete neulich, dass die von Pure Storage angebotenen Speicherlösungen langfristig die “Festplatten”-Lösung ersetzen werden. Flash-Speicher hinterlassen den besseren ökologischen Fußabdruck, weil weniger Strom verbraucht, weniger Kühlung gebraucht und weniger Müll produziert wird.
Die Flash-Speicher von Pure Storage konnten Marc Zuckerberg offensichtlich überzeugen, denn Pure Storage ist der Partner von Meta Platforms für schnelle Speicherlösungen. Meta Platforms gab in der letzten Woche bekannt, dass die Investitionen in das Metaverse weiter erhöht werden – trotz Stellenabbau. Damit wird immer wahrscheinlicher, dass Pure Storage am Ausbau des Multiversums kräftig mitverdienen wird. Die Aktie hat auf die “Meta-Meldung” in dieser Woche praktisch nicht reagiert. Offensichtlich warten die Börsianer die Veröffentlichung der Quartalszahlen ab, die am kommenden Mittwoch nachbörslich gemeldet werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Aktie vor Bekanntgabe der Quartalszahlen – notfalls auch gegen einen schwächelnden Gesamtmarkt – anziehen wird. Charttechnisch bewegt sich Pure Storage auf der rechten Seite einer Base, innerhalb dieser in einer Range zwischen 30 und 32 $ (Schlusskurs am Freitag: 30,45 $).
Pure Storage ist noch nicht profitabel. Für 2023 werden aber erstmals in der Unternehmensgeschichte schwarze Zahlen angepeilt.
Pair Trade Idee für das Metaversum
Interessant wäre auch eine Pair Trade Idee PSTG Long und META Short. Diese könnte langfristig gespielt werden. Bekanntlich sind bei neuen, disruptiven Trends nicht die Initiatoren dieser Trends die maßgeblichen Profiteure an der Börse, sondern die Zulieferer. Meta Platforms muss Geld in die Hand nehmen, um das Metaversum zu bauen. Pure Storage muss nur die Hand aufhalten.
Mit dem Griff dem Hoch zum Greifen nahe?
Zum Abschluss eine konservative Trading Idee für eine Small Cap Aktie aus der Branche Regionalbanken. Regionalbanken (KRE) erhalten den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” und entwickelten sich zuletzt etwas schwächer als Großbanken (XLF). Viele Aktien von Regionalbanken befinden sich charttechnisch auf der rechten Seite einer Base und sehen für Trader schon seit längerer Zeit attraktiv aus. Bisher konnten die meisten Regionalbanken den “Turbo” aber noch nicht so zünden wie manche Großbank. Man schaue sich von den Großbanken beispielsweise einmal JPMorgan Chase & Co. (JPM) an.
Beim Scannen ist mir die Townebank (TOWN) mit Sitz in Portsmouth, Virginia aufgefallen: Die mit ca. 2,5 Mrd. $ kapitalisierte Townebank bietet den Menschen in Virginia und North Carolina neben Versicherungen Bank- und Immobiliengeschäfte an. Das 52-Wochen-Hoch kann im Chart am 13. Januar verortet werden und liegt bei 33,99 $. Aktuell bildet sich in einer an diesem Hochpunkt begonnenen Tassenformation ein Griff aus. Dieser Griff bildet sich seit Anfang November zwischen 32 und 33 $ aus. Ein Ausbruch über 33 $ und damit ein schneller Run zum Hoch bei 34 $ sollte nur eine Frage der Zeit sein. Im Vergleich zur Peer-Group sieht die Aktie, insbesondere was das KGV betrifft, niedrig bewertet aus. Das ab 2023 erwartete KGV liegt bei etwa 11, das KUV in etwa bei 3.

Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.