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Marktradar vom 24. Juli 2023

Marktradar vom Montag, 24. Juli 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Montag, 24. Juli 2023

Diese Woche kommen neue Quartalszahlen von Meta Platforms und Microsoft: Glänzende Zukunftsaussichten sind garantiert – was macht die Börse daraus ?

Die ETFs für den Nasdaq 100 (QQQ), für den Russell 1000 Growth (IWF) und für IPO Aktien (IPO) zeigen für diesen Montag ein Einstiegssignal für einen Swing-Long Trade an. Alle drei ETFs erreichten am vergangenen Mittwoch ein neues Zwischenhoch und korrigierten anschließend am Donnerstag und Freitag. Damit bieten Aktien aus Wachstumsbranchen wie Internet, Software und Technologie aktuell eher eine Chance für einen Swing-Trade auf der Long-Seite als Aktien aus defensiven Branchen wie Healthcare (XLV), Basiskonsumgüter (XLP) oder Versorger (XLU), die wiederum am Donnerstag und Freitag auf der Kaufliste der Börsianer ganz oben standen und jetzt nah an möglichen Zwischenhochs notieren.

Solch eine Rotation zwischen Risk-On und Risk-Off Branchen verläuft in einem gesunden Bullenmarkt, in dem praktisch alles trendfolgend kaufbar ist, meistens so, dass eine Korrektur quasi mechanisch wie eine Nachkaufchance umgesetzt wird – sowohl für Risk-On als auch für Risk-Off Branchen. Und weil in den letzten zwei Handelstagen die Risk-On Aktien korrigiert haben, suchen Börsianer jetzt genau dort ihre Chance für Nachkäufe oder kurze Swing-Trades.

Dass die Hochs vom Mittwoch, 19. Juli, in dieser Handelswoche im QQQ-ETF, IWF-ETF und IPO-ETF schon wieder angelaufen werden können, ist also durchaus möglich. Sollten die Mittwoch-Hochs bis Freitag allerdings nicht überschritten werden, dann könnte sich gemäß Charttechnik eine längere Korrekturphase für Aktien aus dem Technologie-Bereich ankündigen. 

Für diesen Fall könnte das überraschende Comeback von Goldminenaktien, das der Marktradar in der vergangenen Woche beobachtete, zu einem neuen Run auf scheinbar vor Inflation geschützte Werte führen. 

Aber fundamental schüttete eine Aktie aus dem Goldminen-Bereich am Donnerstag erst einmal Wasser auf die Glut. Davon unten gleich mehr.

Noch ist eine längere Korrekturbewegung bei Technologieaktien eher Befürchtung als Wirklichkeit.

Noch ist ein Comeback bei Goldminenaktien eher Wunsch als Wirklichkeit. 

Der Marktradar folgt der Wirklichkeit, also sollten Technologieaktien steigen und Goldminenaktien fallen, oder ?

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?

In den nächsten beiden Handelswochen werden viele US-Aktien neue Quartalszahlen vorlegen. Darunter auch einige Halbleiter-, Software- und Internetaktien aus dem Nasdaq 100 wie zum Beispiel Alphabet (GOOGL), Intel (INTC), KLA Corp. (KLAC), Lam Research (LRCX), Meta Platforms (META), Microsoft (MSFT), Qualcomm (QCOM), Texas Instruments (TXN). 

Mutige könnten die jüngste Korrektur bei einigen dieser Aktien nutzen, um mit vorzeitigen Long-Einstiegen von den langfristig starken Wachstumsaussichten am Earning-Day dieser Unternehmen zu profitieren – sofern die Marktteilnehmer diese honorieren und nicht gemäß “Sell-On-Good-News” Gewinne mitnehmen.

Wir wollen uns nun drei Aktien aus dem Nasdaq 100 näher anschauen, die in Kürze neue Quartalszahlen vorlegen: Meta Platforms, Microsoft und Qualcomm.

Meta Platforms

Meta Platforms (META; Marktkapitalisierung 775 Mrd. US-Dollar) verlor am Donnerstag und Freitag fast 7 % an Wert, nachdem die Aktie am Mittwoch noch ein neues Zwischenhoch erreicht hatte. Kommt dieser Kursrückgang nun wie gerufen für einen Nachkauf ? Meta Platforms veröffentlicht neue Quartalszahlen am kommenden Mittwoch, 26. Juli, nachbörslich.

Am vergangenen Dienstag, 18. Juli, stellte Meta Platforms sein neues Sprachmodell Llama 2 für die breite Verwendung vor. Llama 2 soll einerseits in Konkurrenz zu ChatGPT von Microsofts Bing oder Bard von Alphabets Google treten, zugleich aber auch die Weiterentwicklung von Chat-Suchmaschinen generell fördern. Und zwar leistungsstärker, als das für ChatGPT oder Bard möglich ist.

Das klingt nach einem cleveren, weiteren Schachzug von Marc Zuckerberg, nachdem dieser mit der Kurznachrichten-App Threads jüngst ein Konkurrenzprodukt zu Twitter ins Netz gestellt hat. Was könnte dieser neue Schachzug bewirken?

Der Programmcode von Llama 2 ist im Unterschied zu ChatGPT und Bard allgemein zugänglich, was nicht nur die Entwicklung und Lernkurve der Chat-KI’s beschleunigen, sondern auch den Gewinn von Marktanteilen fördern soll. Nutzer können das Sprachmodell von Llama 2 auf ihre Bedürfnisse zuschneiden oder mit der Unterstützung von Meta Platforms eigene Services entwickeln, an deren Gewinnentwicklung Meta Platforms dann beteiligt sein dürfte. Außerdem könnte Llama 2 auch in Smartphones integriert werden und nicht nur in der Cloud oder auf Servern in Betrieb genommen werden.

Geld will Meta Platforms auch verdienen, indem KI-Chatbots für Instagram oder WhatsApp verkauft werden. Dabei klingt es verwunderlich, dass ausgerechnet Microsoft bei der Kommerzialisierung helfen soll. 

Marc Zuckerberg und Microsoft-CEO Satya Nadella verbreiteten gemeinsam, sowohl über Instagram als auch über die neue Threads-App, am vergangenen Dienstag, 18. Juli, die Meldung eines Joint Ventures, um Llama 2 schnell wachsen lassen zu können. Meta Platforms übernimmt die Kosten für das Training der Modelle. Microsoft hostet als Cloud-Anbieter die Tools und stellt die Rechenleistung für deren Ausführung bereit, die auch über das Windows Betriebssystem möglich sein soll. 

Sowohl Zuckerberg als auch Nadella sehen im Llama 2-Projekt eine gemeinsame Verpflichtung: nämlich die Demokratisierung in der Kommunikation mit der KI. Niemand soll ausgeschlossen werden. Jeder kann mitarbeiten.

Llama 2 soll gezielt für das Windows-Betriebssystem angepasst werden. Denkbar wäre, dass Windows-User über Bing neue Kochrezepte per KI über ChatGPT generieren, um diese dann über Instagram oder WhatsApp mithilfe von Llama 2 auf dem Smartphone zu personalisieren, damit die Kochrezept-Suche auch sofort den richtigen Adressaten oder die gewünschte Community findet – und das womöglich noch während die Nutzer auf der Suche nach dem perfekten Kochrezept sind und während in der WhatsApp Gruppe Termine für gemeinsames Kochen oder die Einladung zum dann zubereiteten Essen verhandelt werden.

Zuviele Köche verderben den Brei ? Zuckerberg und Nadella winken ab: Nee, nee – erst zusammen schmeckt die KI-Anwendung richtig gut. 

Warten wir ab, was die KI dazu sagt.

Microsoft

Die Aktie von Microsoft (MSFT; Marktkapitalisierung: 2,5 Billionen US-Dollar) verlor in den letzten zwei Handelstagen ebenfalls – wie auch Meta Platforms – etwa 7 % an Wert. Der Grund liegt wie auch bei Meta am heutigen Rebalancing im Nasdaq 100-Index. Im Vorfeld von zwei Handelstagen nahmen Investoren, die den Nasdaq 100 abbilden wollen – so als hätten sie sich abgesprochen – die hohe Gewichtung dieser Aktien zum Anlaß, um beide Aktien etwa 7 % nach unten zu drücken, damit die Gewichtung im Nasdaq 100-Index am heutigen Montag auch in das richtige Lot gerückt ist. Tja, so einfach kann Börse manchmal sein. Da gibt es ein angekündigtes Rebalancing und alle wissen, was und wieviel von den Aktien nun zu kaufen oder zu verkaufen ist. Das ist keine Verschwörungstheorie, nur simples Einmaleins.

Dabei gab es noch am Dienstag exzellente Neuigkeiten für Microsoft-Investoren: An diesem Tag veröffentlichte Microsoft-Manager Yusuf Mehdi die Preise für eine KI-Lösung, die in die Microsoft 365 Apps integriert werden soll und einen großen Vorteil für die Nutzer von E-Mails, Chats, Excel in Microsoft 365 Produkten darstellen soll. Vor allem die Produktivität pro Zeiteinheit soll drastisch erhöht werden: zu viel Zeit wird immer noch für Tätigkeiten in vor allem Excel verschwendet, die durch KI-Lösungen in Zukunft wie von selbst im Hintergrund ablaufen sollen. Für diese Zeitersparnis sollten die Kunden aber auch bitte Microsoft bezahlen. Und das nicht zu knapp, wie am Dienstag bekannt wurde. 30 USD sollen pro Benutzer und Monat zusätzlich zum 365-Abo fällig werden. Teilweise erhöhen sich die Preise für bestehende Abonnements mit der KI-Erweiterung um über 80 %.

Sollte es Microsoft tatsächlich gelingen, dass Kunden ihr Microsoft-Abo auf KI-Funktionalitäten erweitern oder sogar vollständig umstellen, dann dürften hohe Anstiege bei Umsatz- und Gewinn in den nächsten Jahren für Freude bei den Microsoft-Aktionären sorgen.

Analysten stehen nun trotz der Kursrallye bei Microsoft unter Zugzwang, weil eine so beträchtliche Erhöhung des Preises für Microsoft 365-Abonnements nicht wirklich erwartet wurde.

Qualcomm

Die Aktie von Qualcomm (QCOM; Marktkapitalisierung: 134 Mrd. US-Dollar) wurde am Freitag bei massivem Handelsvolumen gekauft, was natürlich auf das Rebalancing im Nasdaq 100-Index zurückzuführen ist, das an diesem Montag erstmals seit 25 Jahren wieder notwendig wird, weil nur wenige Aktien zu viel Gewichtung in diesem Index einnehmen. Während der Nasdaq 100 seit Jahresbeginn um mehr als 40 % gestiegen ist, konnte Qualcomm nur um etwas mehr als 13 % zulegen. Daher stieg Qualcomm in den letzten bedien Handelstagen, während die Schwergewichte Meta Platforms und Microsoft Federn lassen mussten. So weit, so gut.

Qualcomm wird neue Quartalszahlen am 2. August veröffentlichen. Es kann aber durchaus sein, dass der Kurs von Qualcomm von den Äußerungen von Marc Zuckerberg zu den Quartalszahlen von Meta Platforms am kommenden Mittwoch bereits bewegt wird. 

Ja, was haben denn Meta Platforms und Qualcomm miteinander zu tun ?

Vom KI-Boom ist im Kursverlauf der Qualcomm-Aktie bisher nicht viel zu erkennen. Die Qualcomm-Aktie notiert mehr als 30 % unter dem Allzeithoch, das im Januar 2022 erreicht wurde. Der ehemalige Großkunde Apple wird für Qualcomm in Zukunft weniger bedeutend sein, da nach 2024 keine neuen Chips von Qualcomm an Apple geliefert werden sollen. Das belastete die Kursentwicklung in der Aktie von Qualcomm natürlich und kann als Mitursache dafür genannt werden, warum sich die Aktie bisher so schwach im Vergleich zu KI-Profiteuren entwickelt hat.

Der Halbleiterhersteller Qualcomm beliefert vorwiegend Smartphones mit Prozessoren, in welchen die KI bis jetzt nur wenig zur Steigerung von Produktivität bei der Anwendung beisteuert.

Die KI lernt und wächst größtenteils in der Cloud, auf Servern und in riesigen Rechenzentren, aber nicht in kleinen mobilen Endgeräten. Das könnte sich aber ab 2024 ändern. Und hier spielt das KI-generierte Sprachmodell Llama 2 von Meta Platforms eine entscheidende Rolle.

Manche Experten meinen, dass eine Anwendung von KI direkt auf den mobilen Endgeräten durchaus Vorteile bringen kann. Im Allgemeinen werden zwei Vorteile genannt:

  1. Durch die Ausführung von KI-Modellen auf den Geräten selbst entfällt die Verzögerung durch Datenübertragung in die Cloud, was zu einer schnelleren Leistung führt. 
  2. Eine lokale Verarbeitung auf dem Gerät gewährleistet eine verbesserte Privatsphäre und Sicherheit, da sensible Informationen nicht über das Internet gesendet werden müssen.

Der große Nachteil ist natürlich, dass die Rechenleistung, die auf einem mobilen Gerät verfügbar ist, im Vergleich zu einem mit modernsten GPUs ausgestatteten Rechenzentrum deutlich niedriger ist.

Aber genau hier kommt das von der KI gesteuerte Sprachmodell Llama 2 von Meta Platforms ins Spiel: Llama 2 ist nämlich in einem kleineren Programm verpackt, so dass es problemlos auch auf einem Smartphone betrieben werden könnte. Und dieser Vorteil könnte nun zu einem genialen Schachzug Zuckerbergs werden, der die Konkurrenz auf einmal wie einen Elefanten im Mäusekäfig erscheinen lässt.

„Das Tempo war unglaublich – unglaublich schnelle Entscheidungsfindung, wirklich enge Schleifen, wirklich konzentrierte Ausführung im Vorfeld dieses Llama-2-Momentes“, sagte Ahmad Al Dahle, Vizepräsident der generativen KI-Gruppe von Meta Platforms. „Wir hatten über hunderttausend Anfragen für Llama 1. Also gingen wir zurück ans Zeichenbrett, brachten unsere Teams zusammen und investierten eine Menge in Ausrichtung, Forschung und Sicherheit, um ein Modell zu bauen, das unserer Meinung nach fertig war.“

Die Zusammenarbeit von Qualcomm und Meta ist nicht neu. Beide Unternehmen haben bereits erfolgreich bei Chips für Meta’s Quest Virtual Reality-Geräte zusammengearbeitet. 

Qualcomm hat auch KI-Modelle auf seinen Chips bereits erfolgreich demonstriert, darunter den quelloffenen Bildgenerator Stable Diffusion. Auf dem Mobile World Congress demonstrierte Qualcomm weltweit erstmals die Ausführung von Stabile Diffusion auf einem Mobilgerät. Dabei wurden eine Milliarde Parameter für Text-zu-Bild-Anwendungen vollständig auf einem Android-Smartphone ausgeführt.

Inzwischen wurden mehr als 2 Milliarden Geräte mit der Qualcomm AI Engine ausgeliefert. Dabei soll ein hybrider Ansatz die Arbeitslasten der KI zwischen der Cloud und den mobilen Endgeräten verteilen.

Im Jahr 2022 erzielte Qualcomm noch einen Jahresumsatz von über 44 Mrd. US-Dollar. Dieser soll 2023 um satte 20 % auf 36 Mrd. US-Dollar fallen – auch wegen des Wegfalls von Apple als Großkunden. Bis zum Jahr 2025 erwarten Analysten Umsätze um 40 Mrd. US-Dollar, das wäre immer noch 10 % weniger Umsatz als 2022.

Qualcomm ist eine Aktie aus dem Halbleiterbereich, die relativ günstig bewertet zu sein scheint. Ein KUV für 2023e von unter 4 und ein KGV 2023e von 15 erscheinen mehr als moderat.

Falls sich für KI-Prozessoren auf mobilen Endgeräten tatsächlich ein neuer Markt eröffnet – sei es als Hybrid-Konzept oder durch Einbau von Llama 2 in die Chips -, dann dürfte Qualcomm an dieser Entwicklung ordentlich mitverdienen. Diese Wachstumsphantasie scheint noch nicht wirklich bei den Analysten angekommen zu sein. 

Falls Marc Zuckerberg am kommenden Mittwoch zu dieser Kooperation neue Details verkünden wird, dann könnte Qualcomm durchaus bereits im Vorfeld der Veröffentlichung der eigenen Zahlen, die eine Woche später veröffentlicht werden, anspringen. Womöglich ist das hohe Handelsvolumen am vergangenen Freitag in der Qualcomm-Aktie nicht nur im Rebalancing des Nasdaq 100-Index an diesem Montag begründet, sondern auch darin, dass Analysten erkennen, dass Meta Platforms ein bedeutender Zulieferer für Qualcomm-Chips werden könnte.

Noch ein Grund mehr, Meta Platforms nächste Woche auf dem Schirm zu haben und Qualcomm nicht abzuschreiben.

Goldminen vor Comeback trotz des Desasters bei Newmont Mining ?

Sollten bedingt durch enttäuschende Ausblicke von Alphabet, Meta Platforms und Microsoft – die wir in dieser “Woche der Entscheidung” aber nicht erwarten -, Aktien aus dem Umfeld der KI abgestraft werden, dann könnten Aktien von Goldminen marktpsychologisch durchaus ein Comeback feiern können. Ehrlich gesagt: Wir glauben nicht daran.

Zugegebenermaßen sind Aktien aus dem Bereich KI charttechnisch ziemlich heiß gelaufen, so dass eine mehrwöchige Korrektur nicht wirklich beängstigend auf die meist glänzenden Zukunftsaussichten von Microsoft, Meta & Co. wirken würde.

Eigentlich feierten Goldminenaktien bereits in der vergangenen Handelswoche ein Comeback, das wir so nicht erwartet haben. Der Marktradar vergibt für die Branche Goldminen (GDX) seit dem 18. Juli tatsächlich den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”, davor zuletzt am 10. Mai dieses Jahres. Aber diese positive Auszeichnung steht für diesen Montag bereits wieder auf des Messers Schneide:

Für den vergangenen Montag, 17. Juli, verorten wir im GDX-Chart ein höheres Tief, nachdem der GDX-ETF bereits am 6. Juli ein solches ausgebildet hat. Ein solch zweistufig ausgelegtes Fundament im Chart sieht schon recht konstruktiv aus. Damit kann sozusagen charttechnisch abgesichert auf eine Trendfrüherkennung im Bereich Goldminenaktien spekuliert werden. Das höhere Tief vom Montag wurde am Donnerstag aber unterschritten. Das war ein bärisch zu interpretierender “Faustschlag” für die Goldbullen gewesen. Grund für den Jubelschrei der Bären waren die schwachen Quartalszahlen von Goldminen-Giganten Newmont Mining (NEM; Marktkapitalisierung: 34 Mrd. US-Dollar) gewesen, die, am Donnerstag vorbörslich veröffentlicht, in voller Breite enttäuscht haben. Für das 2. Quartal wurde ein Gewinn von 0,33 US-Dollar pro Aktie gemeldet, erwartet wurden 0,39 US-Dollar pro Aktie – manche Analystenhäuser hatten sogar mit 0,50 US-Dollar Gewinn pro Aktie gerechnet. Auch der Umsatz blieb weit hinter den Erwartungen zurück: statt 3,90 Mrd. US-Dollar vermeldete Newmont Mining einen Umsatz in Höhe von 2,68 Mrd. US-Dollar.

Sollten die anderen Goldminenbetreiber ähnlich schwache Ergebnisse liefern, dann wird sich das Comeback als misslungener Bluff entpuppen. Einmal antäuschen, nur um dann selber über die eigenen Beine zu stolpern. 

Am Freitag konnte der GDX-ETF jedoch knapp über dem Tief vom 17. Juli schließen. Die auf Comeback getrimmten Goldbullen gaben sich also zum Wochenschluss trotz des Desasters bei Newmont Mining noch nicht geschlagen.

Falls der Goldminen-ETF ab heute nicht stark ansteigt, dürfte ein Rücksetzer bis 30 US-Dollar eine schon fast ausgemachte Sache sein (Schlusskurs im GDX-ETF am Freitag: 31,49 US-Dollar). Die 30 US-Dollar-Marke muss dann aber halten, wenn die Bodenbildung für Aktien aus dem Bereich Goldminen in Kürze vor einem Abschluss stehen soll.

Der industrielle Wind nimmt zu – das merken nun auch die Theoretiker

Für heute erhalten 50 von den von mir beobachteten 58 ETFs auf Sektoren, Branchen und Themen den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”, das entspricht einer Quote von 86 %. So eine hohe Quote hat Seltenheitswert und wir schauen nun zum Abschluss dieser Kolumne auf die Gründe, die für den Wirtschaftsboom stehen, der nun dazu führen wird, dass die US-Wirtschaft nicht in eine Rezession driften wird.

Die Gründe für diesen Bullenmarkt treten nun immer mehr zu Tage und mancher, der lange Zeit als Bedenkenträger kursierte, wundert sich jetzt, warum er das nicht hat kommen sehen. Es mehren sich nämlich die Anzeichen, dass die US-Wirtschaft nicht in eine Rezession, sondern in eine Expansion übergeht.

Die beiden industriepolitischen Gesetze von US-Präsident Joe Biden – der Inflation Reduction Act und der CHIPS and Science Act – haben längst damit begonnen, die amerikanische Wirtschaft umzugestalten. Diese Gesetze haben private Investitionen in vielen Branchen wie der Herstellung von Halbleitern und Elektrofahrzeugen angekurbelt und eine massive Verschiebung in der Struktur und Ausrichtung der amerikanischen Wirtschaft ausgelöst. 

Private Unternehmen haben seit der Verabschiedung des Inflation Reduction Act und des CHIPS and Science Act mehr als 200 Milliarden US-Dollar in die amerikanische Halbleiter-, saubere Energie- und Elektrofahrzeugindustrie investiert – und das trotz einem rasanten Anstieg der US-Leitzinsen, was für Wirtschaftshistoriker eigentlich zu einem Investitionsstau und keinem Investitionsschub führen sollte. 

Laut einem Bericht der Financial Times wurden seit Auflegung der Biden-Gesetze mehr als 75 Großprojekte im Wert von jeweils mehr als 100 Millionen US-Dollar geschaffen. Allein diese schufen mehr als 80.000 neue Arbeitsplätze.

Die im Rahmen des Inflation Reduction Act eingeführten Steuererleichterungen für saubere Energie erfreuen sich größerer Beliebtheit als zunächst angenommen. Auch wenn die Kosten dieser Subventionen wie so oft höher sein werden als geplant, werden diese Gesetzesinitiativen wohl in späteren Geschichtsbüchern als erfolgreiche Maßnahme gegen eine Rezession gewertet werden. 

Viele Wirtschaftshistoriker sahen viel zu lange dorthin, wo kein industrieller Wind weht und sahen stattdessen dorthin, wo Daten nur den Schluss zuließen, dass eine inverse Zinskurve unweigerlich zu einer Abnahme industrieller Aktivitäten und damit zu einer Rezession führt.

Theorie und Praxis sehen in der Theorie leider immer irgendwie gleich aus. In der Praxis aber nicht. Es kommt eben darauf an, wo man gerade hinschaut und wo gerade der Wind weht. Wenn der Ort dabei nicht der gleiche ist, dann hat jeder was anderes gesehen.

Hinweis:

Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.