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Marktradar vom 01. Dezember 2022

Marktradar vom Donnerstag , 01. Dezember 2022 von Stefan Pröhl

Der Bärenmarkt ist spätestens seit gestern, 19:30 Uhr, beendet

Zur Überraschung vieler hat Jerome Powell gestern um 19:30 Uhr gesagt, was Börsianer hören wollten, aber mehrheitlich nicht wirklich hoffen konnten.

Wirtschaftsdaten werden nun wichtiger als Zinspolitik

Bei der Versammlung im Brookings Institute sagte Jerome Powell, dass es sinnvoll sei, das Tempo der Zinserhöhungen zu drosseln. Er rechnet jedoch weiterhin mit einem Anstieg der Zinsen auf ein „ausreichend restriktives Niveau“. Powell fügte hinzu, dass es bereits bei der Fed-Sitzung im Dezember zu einer Verlangsamung der Zinserhöhungen kommen könnte.

Damit ist eine Anhebung der Zinsen von 50 statt 75 Basispunkte gemeint. Oder womöglich nur 25 Basispunkte? Wie auch immer, der Anstieg gestern könnte eine Zäsur für Börsianer darstellen: ab heute werden die Marktteilnehmer vermutlich mehr auf die Wirtschaftsdaten als auf die Zinspolitik schauen. Wenn die Zinsen dann 2023 mehrmals um 25 Basispunkte erhöht werden, dann würde das nur noch bedeuten, dass es der US-Wirtschaft recht gut geht und eine Rezession entweder gar nicht oder nur in geringem Ausmaße gemessen wird – alles unter der Bedingung, dass die Inflation 2023 nicht wider Erwarten in die Höhe steigt.

Stefan Pröhl

Technischer Analyst & Wikifolio Trader

Gestern ab 18 Uhr sprang die von der CBOE gemessene Put Call Ratio massiv auf 1,53 an. Es wurden also vor Jerome Powells Rede verstärkt Put Optionen zwecks Absicherung aufgesetzt. Ein Zeichen, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer von einer Rede ausging, die den SPY eher nach unten Richtung 390 Punkte als nach oben Richtung 400 Punkte drücken würde. Bereits gegen 20 Uhr erreichte der SPY die 400er Marke, die aber keine Widerstandskraft mehr besaß. Bis zum Handelsschluss wurde eifrig gekauft. Der SPY schloss bei 407,68 Punkten.

Der Dezember gilt als historisch starker Monat für Aktien. Aber nicht jedes Jahr ist das so. 2018 purzelten die Kurse nach unten, oft gab es nur in den ersten zwei Dezemberwochen eine stärkere Aufwärtsbewegung. Zwischen etwa 3. Advent und Neujahr begann häufig eine Phase, die ich mal als Rebalancing hinter vorgehaltener Hand bezeichnen möchte: keiner möchte sich in die Karten sehen lassen und die anderen wissen lassen, welche Aktien-Asse für 2023 in den Portfolios aufgedeckt werden sollen. Das geschieht dann meistens wirklich erst im ersten Quartal des neuen Jahres.

Ich denke, Jerome Powell gab gestern den Startschuss für einen starken Start in den Dezember für Aktien. Ich werde heute Aktien kaufen, und das nicht zu wenig. Der Bärenmarkt dürfte nun beendet sein.

Werfen wir aber noch einen Blick auf die Tagesstempel, die heute für die US-Aktienindizes vergeben werden – damit wir nicht zu euphorisch werden. Denn mein Marktradar verspricht nicht nur eitel Sonnenschein, leider:

Für die Bullen spricht zwar, dass für heute sowohl der IWM als auch der QQQ auf “Kaufen oder Aufstocken” hochgestuft wurde. Was noch nicht für ein starkes Bullenszenario mit “Highfly to the moon Stimmung” in den nächsten Monaten spricht, sind zwei Beobachtungen:

Erstens konnte der SPY das Bewegungshoch von Mitte November per Tagesschluss überwinden, der IWM aber nicht. Das spricht gemäß Risk-On / Risk-Off Logik dafür, dass der Risk-Off Part in diesem Duo, nämlich der SPY, dem Risk-On Part, nämlich dem IWM, voranläuft. Das verweist auf keine dynamische Bullenpower, sondern nur auf eine, die bestenfalls im “business as usual Modus” in den nächsten Monaten ablaufen könnte.

Zweitens hinkt der IPO-ETF als Risk-On Part par excellence noch hinterher. Immerhin wird er für heute von “Abwarten oder auf Sell off spekulieren” auf “Unter Beobachtung” hochgestuft.

Heute sahen wir so vieles auf dem Rader der großen Aktienindizes, dass ich zu dem, was unter dem Radar zu sehen wäre, heute nicht mehr komme.

Impuls- und Swing-Trader werden heute viele gute Set-Ups finden können – es gibt heute eigentlich zu viele Aktien, die man kaufen könnte.

Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.