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Marktradar vom 15. Mai 2023

Marktradar vom Montag, 15. Mai 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Montag, 15. Mai 2023

Sorgt der US-Dollar nun für einen Kursrutsch bei Aktien ?

IPO-Aktien marktbreit relativ stark

Für den ETF Renaissance IPO (IPO) vergaben wir in der Kolumne vom vergangenen Montag den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”. Wer am Montag zur Wall-Street-Eröffnung bei 28,25 US-Dollar eingestiegen wäre, hätte sich am Donnerstagabend über einen Gewinn von fast 4 % freuen können (Tagesschlusskurs am Donnerstag: 29,37 US-Dollar). Am Freitag knickte der IPO-ETF dann aber ein und fiel auf 28,75 US-Dollar zurück. Der Marktradar sieht nun eine Swing-Long-Chance im IPO-ETF.

20 % vom IPO-ETF stecken in nur zwei Aktien: Snowflake (SNOW) und AirBNB (ABNB). Diese beiden Aktien bestimmen also ein Fünftel der Performance in diesem ETF: Snowflake war am Freitag per Handelsschluss im ETF mit 11,72 % gewichtet. AirBNB war am Freitag per Handelsschluss mit 8,51 % gewichtet. Solche Klumpenbildungen scheinen in ETF– und Indexkonzepten inzwischen zur Normalität geworden zu sein.

Immer mehr Analysten, die sich die Untersuchung von Marktbreite zu Ihrer Aufgabe gemacht haben, wechseln zu anderen Portfolio-Konzepten: Über Rebalancing soll eine annähernd gleichgewichtige Zusammenstellung der im ETF bzw. der im Index enthaltenen Aktien ermöglicht werden – und das möglichst fortlaufend, was in der Praxis natürlich nur annäherungsweise und – seien wir ehrlich – über höhere Kosten und auch Mehraufwand zu erreichen ist. 

Ein solches Rebalancing-Modell macht im Prinzip aber Sinn, weil damit eine möglichst umfängliche Verfassung des Gesamtmarktes abgebildet werden kann.

Wer heute auf den ETF für den S&P 500 (SPY) schaut, der sieht zwar nicht so eine extreme Klumpenbildung wie im IPO-ETF: Aber die Aktien von Apple (AAPL) und Microsoft (MSFT) bilden zusammen immerhin knapp 14 % des ETFs ab, was etwas mehr als ein Siebtel der Performance in diesem ETF ausmacht.

Vergleichen wir den S&P 500 einmal mit dem ETF-Konzept, das eine gleichgewichtete Zusammenstellung abzubilden versucht: In diesem entsprechenden ETF mit dem Symbol RSP sind aktuell die drei am höchsten gewichteten Aktien Rollins (ROL), Copart (CPRT) und Verisk Analytics (VRSK). Diese drei Aktien sind mit jeweils 0,24 % im Index gewichtet und bilden zusammen also 0,72 % des ETFs ab, was nur etwa ein 139tel der Performance in diesem ETF ausmacht. Alle drei Aktien befinden sich im Rallye-Modus, sonst  hätten sie diese “vergleichsweise hohe Gewichtung” nicht per Tagesschluss am vergangenen Freitag einnehmen können. Gleichgewichtete Index-Konzeptionen berücksichtigen also durchaus das Momentum, allerdings nicht nach dem Motto “Gewinne laufen lassen und Verluste begrenzen”, sondern nach dem Motto “Gewinne schnell realisieren und Verlustpositionen schnell erhöhen”. Es ist mehr eine Sache der Schnelligkeit als eine Sache der relativen Stärke: wenn Aktien so schnell steigen wie Rollins, Copart, und Verisk Analytics, dass man beim Rebalancing nicht hinterherkommt, dann werden solche Aktien zur Eröffnung am nächsten Tag ein bisschen höher gewichtet als die anderen Aktien.

Snowflake und AirBNB hätten zusammen den IPO-ETF eigentlich im Laufe der vergangenen Woche zu einer negativen Performance verleiten müssen: Snowflake gewann aus Wochensicht zwar 7,48 %, AirBNB verlor aus Wochensicht jedoch 12,27 %. Die Marktbreite von Aktien, die noch nicht allzu lange an der Wall Street gelistet sind, zeigte damit in der vergangenen Handelswoche relative Stärke zu den beiden “Leithammeln”. Das sollte eigentlich ein Zeichen für zunehmende Risk-On Aktivität bei spekulativen Aktien darstellen. Zum Leidwesen der Bullen steht der IPO-ETF in Sachen Risk-On-Aktivität aktuell recht isoliert da. Ungemach für die Bullen droht nun vor allem vom US-Dollar:

Das Erstarken des US-Dollars sorgt für Bärenstimmung bei Gold- und Silberfans

In den vergangenen beiden Kolumnen hatten wir auf eine mögliche Trendfrüherkennung für einen Long-Einstieg im US-Dollar gegenüber anderen Währungen hingewiesen. Wir sahen das Signal im UUP-ETF, der am Freitag per Tagesschluss zu 99,95 % im NYBOT FINEX United States Dollar Index Future mit Laufzeit Juni 2023 (DXM23) investiert war. Die Trendveränderung ist jetzt eingetreten: Das Zwischenhoch vom 2. Mai ist am 12. Mai im UUP-ETF überschritten worden. 

Eine Stärke des US-Dollars korreliert häufig mit einer Schwäche bei den Edelmetallen. Eine solche Schwäche sahen wir am Donnerstag und Freitag in den entsprechenden ETFs für die Goldminen (GDX) und die Silberminen (SIL): Beide ETFs unterschritten am Freitag Unterstützungs-Levels – die Silberminen noch wuchtiger als die Goldminen. Wer auf einen schnellen Run der Gold- und Silberminenaktien auf neue 52-Wochen-Hochs spekuliert hat, der sollte nun sein Tradingziel überdenken. Bestenfalls wird die Korrekturbewegung in diesen Aktien nun länger dauern als geplant. Auch sollte ein Trendwechsel in ein bärisches Umfeld für Minenaktien jetzt nicht mehr gänzlich ausgeschlossen werden.

Denn die Gold-und Silberminenaktien standen mit der Stärke des US-Dollars unter stärkerem Verkaufsdruck als der Goldpreis und der Silberpreis. Gemäß Risk-On / Risk-Off Logik ist damit zu rechnen, dass der Risk-On-Part (die Minenaktien) nun den Risk-Off-Part (Preis für die Edelmetalle) mit nach unten ziehen wird. Für den ETF, der den Goldpreis abbildet (GLD), sieht der Marktradar nun sogar eine Chance für eine  Trendfrühererkennung auf der Short-Seite: denn am 10. Mai hat sich ein tieferes Hoch gebildet, obwohl der GLD-ETF für diesen Montag noch den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” erhält.

Erst wenn wir sehen, dass sich die Minenaktien besser als die Preise für Gold und Silber entwickeln, sollten wir wieder auf Überwindung alter Hochs spekulieren.

Mit dem Wiedererstarken des US-Dollars, der spätestens an diesem Wochenende weltweit für die Börsianer zu einem Fakt werden wird, könnte es nun mit der Kauflust der Amis in europäischen Aktien zu Ende gehen. Der vermeintliche Umkehrschluss, dass die Amis stattdessen wieder in den heimischen Aktienmarkt investieren, gilt aber nicht unbedingt. 

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?

Welche Branchen werden für heute vom Marktradar als trendfolgend handelbar eingestuft ?

Biotechnologie nun stärker als defensive Pharmawerte

Aus dem Gesundheitsbereich kann nur noch der Risk-On-Part Biotechnologie (XBI) mit einer solchen  Auszeichnung “prahlen”. Die eher defensiven ETFs aus dem Gesundheitssektor wie Pharmaunternehmen, Krankenkassen oder Hersteller von medizinischen Geräten oder medizinischem Bedarf zeigten in der vergangenen Handelswoche relative Schwäche innerhalb des Gesundheitssektors. Das kann sich natürlich schnell wieder ändern: Dennoch wird die jüngste schwache Performance von diesen Aktien für viele Anleger wohl als große Enttäuschung gesehen – gehörten Aktien aus dem Bereich Medizintechnik doch noch vergangene Woche zu den Aktien mit den besten Aussichten für nachhaltige Trendstärke.

Das Thema Wasser bleibt an der Börse gefragt

Aus dem zyklischen Industriebereich ist nur noch das Thema Wasser (PHO) im Trend-Following-Modus.

Shopify beglückt Cathy Wood

Außerdem, vielleicht etwas überraschend, der von Cathy Wood gemanagte ETF für Fintechs (ARKF). Diese Auszeichnung wurde sicher durch die starke Rallye bei Shopify (SHOP) begünstigt. Die Online-Plattform des Unternehmens ermöglicht es Händlern, ihre Produkte über verschiedene Vertriebskanäle anzuzeigen, zu verwalten, zu vermarkten und zu verkaufen. Die Aktie ist nach guten Quartalszahlen in drei Handelstagen um 40 % gestiegen. Shopify ist mit 13,23 % in Cathy Woods Fintech-ETF gewichtet und stellt die am höchsten gewichtete Position im ETF dar.

Innovationen im Internet halten Risikobereitschaft hoch

Aus dem Bereich Internet laden für diesen Montag zum Trendfollowing die ETFs für die Themen Software (IGV), Digitale Kommunikation (XLC) und Technologie (XLK) ein. Der IGV-ETF konnte sich per Wochenschlusskurs auf dem Level des Zwischenhochs vom 1. Mai halten. Im IGV-ETF machen allein vier Aktien eine Gewichtung von knapp 35 % aus: Microsoft (MSFT), Salesforce (CRM), Oracle (ORCL), Adobe (ADBE). Damit ist der Blue-Chip-Anteil im IGV-ETF relativ hoch gewichtet.

Der Sektor Konsum lockt Anleger nun auch wegen KI-Phantasie an

Aus dem Bereich Konsum hat momentan tatsächlich der Risk-On-Part für zyklische Konsumgüter (XLY) ein bisschen die Nase vorn. Der Risk-Off Part nichtzyklische Basiskonsumgüter (XLP) zeigt zwar immer noch relative Stärke zu vielen anderen Branchen: ein tieferes Tief vom 10. Mai warnt ein bisschen zur Vorsicht; andererseits sieht die Korrekturbewegung unter dem Zwischenhoch, das wir am 1. Mai verorten, immer noch sehr produktiv aus, so dass baldige neue Hochs für Aktien wie Coca-Cola (KO) oder Procter & Gamble (PG) immer noch recht wahrscheinlich erscheinen.

Aktuell zeigen sich Betreiber von Restaurantketten wie Chipotle Mexican Grill (CMG), McDonald’s (MCD) oder Wingstop (WNG) charttechnisch von ihrer besten Seite: die Charts für diese Aktien sehen so aus, als ob hier niemand wirklich an das Verkaufen denkt. 

Die Unternehmenslenker für diese drei Fast-Food-Ketten wollen eine Vorreiterrolle bei der Einbindung von Künstlicher Intelligenz in die Geschäftsabläufe einnehmen – mitunter sogar für die Produktion und Verbesserung der verkauften Produkte. Das AI-Thema kann ein Grund für die aktuell geringe Verkaufsbereitsschaft in diesen drei Aktien sein. Als Beispiel wollen wir uns die Aktie von Chipotle Mexican Grill etwas genauer ansehen:

Chipotle Mexican Grill hat am 25. April hervorragende Quartalszahlen gemeldet. Obwohl die Aktie am Earning-Day um 13 % gestiegen ist, ist die Aktie bis jetzt noch nicht auf den Schlusskurs vom Earning Day (2009,85 US-Dollar) zurückgefallen. Investoren und Trader, die gern prozyklisch agieren, finden hier vielleicht eine gute Beute.

Die Restaurantkette Chipotle Mexican Grill (CMG) betreibt über 3000 Fillialen für mexikanisches Essen. Chipotle Mexican Grill setzt stark auf Apps und Social-Media-Marketing. So kooperiert Chipotle Mexican Grill mit zwei TikTok-Food-Rezensenten, die mit ihren Millionen-Followern auf neue Quesadilla-Varianten aufmerksam machen. Seit März hat sich das Quesadilla-Geschäft fast verdoppelt. 

Die Fast-Food-Kette ist inzwischen auf die Watchlisten von KI-Investoren geraten: Der Grund dafür ist neben anderem Chippy: Die mit KI betriebene technische Innovation Chippy stellt Tortillachips her. Die Roboterarme von Chippy sind darauf trainiert, das genaue Rezept von Chipotle zu reproduzieren, indem bestimmtes Mehl, Wasser und Sonnenblumenöl verwendet wird, um die Chips perfekt zuzubereiten, sie mit einer Prise Salz zu würzen und mit einem Hauch frischem Limettensaft abzurunden. 

Im Earning Call mit Investoren sagte der CFO Jack Hartung, dass Chipotle Mexican Grill zusammen mit der Venture-Capital Gesellschaft Cultivate Next früh neue Investitionsmöglichkeiten aus dem Bereich Künstliche Intelligenz finden möchte, um so die aktuelle Vorreiterstellung nicht abgeben zu müssen.

Trendfrüherekennung

Einige Solaraktien profitieren von US-Subventionen

Eine Chance für Trendfrüherkennung auf der Long Seite sehen wir für diesen Montag bei Green Energy Aktien, und hier vor allem für die Solaraktien. Der ETF für den Bereich Solar (TAN) hat am 9. Mai im Chart ein höheres Tief gebildet, obwohl er noch den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell-Off spekulieren” erhält. Das gilt übrigens auch für den breiter aufgestellten ETF für Produzenten erneuerbarer Energien (RNRG).

Der TAN-ETF ist am Freitag um etwa 3 % angesprungen, in der Spitze sogar um 6 %. Dieser Anstieg ist maßgeblich auf die Aktie von First Solar (FSLR) zurückzuführen. First Solar stieg am Freitag um über 25 %, nachdem das US-Finanzministerium neue Leitlinien für Investitionen im Solarbereich innerhalb des Inflation Reduction Acts veröffentlicht hat.

Solarprojekte innerhalb der USA wurden zuletzt durch die Unsicherheit darüber gebremst, ob die Verwendung von in den USA hergestellten Modulen weiterhin für den gesamten Investitionssteuerabzug von 40 % infrage kommt.

Das Finanzministerium sagte nun, dass Projekte aus dem Bereich erneuerbarer Energien Anspruch auf die Vergünstigung haben, solange 40 % der Gesamtkosten der im Projekt verwendeten Komponenten aus im Inland hergestellten Materialien bestehen. Die Meldung aus dem US-Finanzministerium euphorisierte First Solar Anleger, denn die Klarheit über den Rabatt sollte es nun Unternehmen wie First Solar, die vorwiegend in den USA produzieren, ermöglichen, mehr Planungssicherheit zu haben und damit die bereits optimistischen Umsätze und Gewinne für das laufende Jahr wie geplant zu erreichen oder sogar zu übertreffen.

Eine Aktie wie Solaredge (SEDG), deren Unternehmenslenker stärker auf den europäischen Markt fokussiert sind, konnte nur bedingt von der Meldung profitieren – Solaredge stieg am Freitag aber immerhin um 2 % (in der Spitze sogar um über 6 %).

NIMMSTA Finanzierungsrunde