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Marktradar vom 17. Januar 2023

Marktradar vom Dienstag, 17. Januar 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Dienstag, 17. Januar 2023

Jetzt hauen wir auf die Pauke !

Börsenampeln springen auf grün

Inzwischen erhält nicht nur der ETF mit dem Symbol RSP, der die 500 Aktien aus dem S&P 500 gleichgewichtet hält, den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”, sondern auch der viel bekanntere SPY-ETF, der die 500 Aktien gemessen an der Marktkapitalisierung hält.

Anders verhält es sich im Nasdaq 100. Hier erhält der ETF mit dem Symbol QQQE, der die 100 Aktien gleichgewichtet hält, zwar ebenfalls den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”; der ETF mit dem Symbol QQQ, in dem die 100 Aktien gemessen nach Marktkapitalisierung gehalten werden, jedoch nur den Tagesstempel “Unter Beobachtung”. Für Mittwoch könnte der QQQ auf “Bodenbildung oder Seitwärts” hochgestuft werden. Bis er auf “Kaufen oder Aufstocken” hochgestuft wird, dürften aber noch ein paar Tage, womöglich Wochen vergehen.

Warum sollte man nun überhaupt Aktien kaufen oder aufstocken? Na, weil das jetzt alle an der Börse tun werden ! 

Ich sehe das in vielen Börsenbriefen und Musterdepots, die ihre Cashquote über ein Marktmodell oder eine Börsenampel steuern. Diese haben am Freitag der ersten Kalenderwoche (6. Januar) gelb-grünes Licht bekommen, das nun an diesem Freitag (13. Januar) auf grün gesprungen sein dürfte.

“Freitag der 13.” ? War da nicht was ? 

Okay, das Wetter in Hamburg war am letzten Freitag – wie man hier im Norden sagt – absolutes “Schiet”-Wetter. Der Kalender zeigte an: “Freitag der 13.” Lassen wir den Wettergott eben ordentlich “schieten” – wir müssen es ihm ja nicht gleichtun. 

Da kann auch die FED den Börsen-Gott spielen, wie sie will:  Der Markt hat jetzt genug davon, nach Jerome Powells Bratsche zu “fallen”. Statt nur die Streichinstrumente klagende Töne spielen zu lassen, wollen nun auch die Schlaginstrumente zum Zuge kommen: Hauen wir jetzt also kräftig auf die Pauke: Kaufen wir Aktien !

Der Markt hat recht, nicht die FED

Die Statistik gibt übrigens dem Markt und nicht der FED recht: Einer der bekanntesten Anleihe-Investoren in den USA, Jeffrey Gundlach von DoubleLine Capital, sagte vergangene Woche: 

“Meine mehr als 40jährige Erfahrung im Finanzwesen empfiehlt den Anlegern dringend, sich eher an den Marktaussagen zu orientieren als an den Aussagen der FED”.

Warum das ? Ein Beispiel: Wenn US-Staatsanleihen mit 2-jährigen Laufzeiten das Zinshoch bereits erreicht hatten, die FED aber die Zinsen entgegen der Meinung des Marktes weiter erhöhen wollte – wie das nun im März wieder geschehen soll – hatte fast immer der Markt recht. Wenn wir so eine Diskrepanz zwischen sinkenden Renditen im Zinsmarkt und steigenden Renditen laut der FED sahen, gab es danach meist eine imposante Rallye in den Aktienmärkten: die einzige Ausnahme von der Regel stellt – laut einer Rückrechnung, die Urban Jäkle am 14. Januar per Video im Internet verbreitete –  das Jahr 2000 dar.

Der Bitcoin rockt

Es gab bereits einen heftigen Paukenschlag am vergangenen Donnerstag, der auch am Freitag dem 13. nachhallen konnte: Die Risk-On Asset Klasse par excellence hat schon mal zwei Tage lang auf die Pauke gehauen: Der ETF für den Bitcoin (BITO) konnte am Donnerstag und Freitag bei steigendem Handelsvolumen insgesamt über 10 % zulegen und das charttechnische Zwischenhoch von Mitte Dezember ohne Gegenwehr “überrennen”. Auch der Bitcoin erhält nun vom Marktradar den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken”. 

Schiet bleibt Schiet. Markt bleibt Markt. Geben wir dem Markt jetzt einfach mal recht !

Was sehen wir unter dem Radar der großen Aktienindizes?

Bullen, wo man auch hinsieht. 

Na gut, wir übertreiben etwas: zwei Branchen erhalten noch den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren”: Cybersecurities und Gesundheitsdienstleister. Darum wollen wir uns genau diese beiden Branchen nun einmal genauer ansehen:

Die Cloud schützen, von Anfang an

Der ETF für Cybersecurities (CIBR) zeigt im Chart am 6. Januar ein tieferes Tief, das aber sofort gekauft wurde. Mutige Anleger könnten, nun wo alle auf die Pauke hauen wollen, einen antizyklischen Einstieg in Aktien, die Sicherheitssoftware verkaufen, wagen.

Jetzt, wo ChatGPT in aller Munde ist und die Künstliche Intelligenz weiter um sich greifen wird, dürften auch die Angriffsflächen auf Unternehmen zunehmen. Wenn die KI wächst, steigen auch die Cyberrisiken.

Spekulative Trader könnten sich beispielsweise Tenable (TENB; Marktkapitalisierung: 4 Mrd. $) genauer ansehen. Tenable bietet für seine Kunden eine auf der Cloud basierende Anwendungsplattform, die bereits während des Aufbaus einer Cloud-Infrastruktur in Betrieb gehen kann: Neben einem Schutz vor Angriffsflächen kann die Software Fehlkonfigurationen und Schwachstellen in der Cloud-Infrastruktur erkennen und beheben.

Im Chart von Tenable wurde, wie auch im Chart vom CIBR-ETF, das tiefere Tief vom 6. Januar gekauft. Trader könnten unter diesem markanten Tief einen Stopp-Loss platzieren und auf mehr Aufträge für die Cyber-Industrie spekulieren – und damit auf langfristig höhere Gewinne für diese Unternehmen. 

Tenable muss als Turnaround-Spekulation bewertet werden. Die Aktie dürfte nur abheben, wenn der Risk-On-Wille unter den Marktteilnehmer zunimmt. Tenable wird für 2022 aller Voraussicht nach erstmals in der Unternehmensgeschichte einen Jahresgewinn präsentieren können – die neuen Geschäftszahlen werden wohl Ende Januar / Anfang Februar veröffentlicht werden. Das KGV für 2023 wird aktuell auf etwa 70 angesetzt und soll bis 2025 auf 30 fallen – und das ohne ChatGPT-Phantasie ! – Bis 2025 soll der Umsatz um etwa 70 % wachsen. Der Gewinn pro Aktie soll bis dahin um schätzungsweise 300 % gesteigert werden.

Ein Schuss Übernahmephantasie besteht bei Tenable auch: spätestens seitdem Google das Cybersecurity-Unternehmen Mandiant für 5,4 Mrd. USD geschluckt hat, ist klar, dass das technische Know-How solcher Firmen auch bei Big-Tech Unternehmen begehrt ist.

Auch Gesunde humpeln manchmal

Und warum laufen die Gesundheitsdienstleister so schlecht? Weil es sich um eine defensive Branche handelt, die dann, wenn Risk-On zunimmt, beim Rebalancing in den Portfolios der institutionellen Anleger reduziert werden dürfte. Man kann sich auch einfach den größten Krankenversicherer in den USA, UnitedHealth (UNH), näher ansehen: Seit Jahresbeginn hat die Aktie 7,66 % verloren.

Die am Freitag von UnitedHealth vorbörslich gemeldeten Quartalszahlen waren den Marktteilnehmern wohl nicht gut genug. In einem Risk-Off-Umfeld wäre UnitedHealth bei diesen Zahlen wohl gekauft worden. In einem Risk-On-Umfeld wie aktuell suchen Trader ihre Chancen lieber woanders.

Was sagten die Zahlen von UnitedHealth? Beim Umsatz und Gewinn konnten die Erwartungen der Marktteilnehmer um rund 1 % geschlagen werden. Auch der erwartete Umsatz für 2023 lag über den Schätzungen des Marktes. Für den erwarteten Gewinn in 2023 nannte UnitedHealth eine Spanne zwischen 24,40 und 24,90 US-Dollar pro Aktie. Die Schätzungen des Marktes lagen bei 24,84 US-Dollar. 

Die Zahlen von UnitedHealth waren in Ordnung. Viel größere Sprünge im Umsatz sind von einem Krankenversicherer nicht zu erwarten. Dennoch verlor die Aktie am Freitag bei ungewöhnlich hoher Volatilität über 1 %. Auch Gesunde humpeln manchmal.

Baumarktketten ins Depot ?

Beim Screenen von Aktien, die sich auf der rechten Seite einer Tassenformation befinden und in Kürze neue Hochs anlaufen könnten, sind mir die beiden größten Baumarktketten in den USA aufgefallen: Home Depot (HD) und Lowe’s Companies (LOW). Beide Aktien kommen heute in mein Depot.

Zwei markante Hochs in der Aktie von Home Depot verorten wir am 6. Dezember 2021 und am 3. Januar 2022. Es sind keine 52-Wochen-Hochs, da diese Hochs vor dem 13. Januar 2022 entstanden sind. Von diesen Hochs aus bildet sich eine weit geformte Tasse, die in sich eine Vielzahl kleiner Tassen enthält. Aber auf diese kleinen Tassen achtet man lieber nicht, sonst sehen wir vor lauter Tassen den Küchenschrank nicht mehr ! Aber schauen wir uns ruhig die aktuelle kleine Tasse an, die ihren Anfang am Zwischenhoch vom 13. Dezember 2022 nahm, also vor einem Monat. Optimal wäre, wenn sich nun ein kleiner Henkel ausbilden würde, der bei etwa 320 $ sein unteres Ende findet. Spätestens danach sollte die Aktie von Home Depot nach oben schießen. Der nächste Widerstand wartet bei 360 $.

Für Lowe’s Companies sehen die Tassen im Chart ähnlich aus. Lowe’s Companies konnte am Freitag sogar über dem Hoch des Vortages schließen, Home Depot nicht. Aber das sind Details, die im Big Picture nicht wirklich auffallen. Beide Aktien sollten weiterhin relativ simultan verlaufen. Die nächsten Quartalszahlen für diese Baumarktketten werden Mitte Februar veröffentlicht werden. 

Baumarktketten werden der Branche zyklische Konsumgüter zugeordnet. Aktuell zeigt der ETF für die zyklischen Konsumgüter (XLY) deutlich mehr Stärke als der ETF für die nicht-zyklischen Konsumgüter (XLP). Das spricht für Aktien wie Home Depot und Lowe’s Companies und gegen Aktien wie Coca-Cola (KO) und Colgate (CL). 

Diese Verschiebung im Risk-On / Risk-Off Kräfteverhältnis zugunsten von XLY (Risk-On) und gegen XLP (Risk-Off) ist wiederum ein Hinweis für die Bären: geht zurück in Eure Höhlen und macht Winterschlaf.

Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.