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Marktradar vom 22. Februar 2023

Marktradar vom Mittwoch, 22. Februar 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Mittwoch, 22. Februar 2023

Pattsituation an der 4000er-Marke im S&P 500 

Gestern gegen 19:25 Uhr deutscher Zeit unterschritt der ETF für den S&P 500 (SPY) die 400er Marke, die im S&P 500 der 4000er Marke entspricht. Ein Kampf zwischen Bullen und Bären fand praktisch nicht statt. Das von der CBOE (Chicago Board Option Exchange) gemessene Put-Call-Ratio lag zu dieser Uhrzeit etwa bei 1. Es lag also eine Pattsituation vor: Trader hatten in etwa genauso viele Call- wie Put-Optionen gekauft.  Alle warteten darauf, dass nun etwas passieren würde. Niemand fühlte sich genötigt, nun unbedingt selber agieren zu müssen. Dementsprechend passierte bis zum Handelsschluss nicht mehr viel: der SPY schloss bei 399,09 US-Dollar.

Das Verhältnis von fallenden zu steigenden Aktien betrug gestern an der NYSE (New York Stock Exchange) etwa 7:1, während es an der Nasdaq etwa bei 4:1 lag.

Aktien, die gestern gestiegen sind, könnten nun von Tradern besonders unter die Lupe genommen werden. Lassen sich Gründe dafür finden, warum diese Aktien an so einem verlustreichen Handelstag nicht in Sippenhaft genommen wurden ?

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?

Für heute sind nur noch vier Branchen übrig geblieben, die den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” erhalten: Schifffahrt (BOAT), Luft- und Raumfahrt inkl. Rüstung (ITA), Cybersecurities (CIBR) und Basiskonsumgüter für den täglichen Bedarf (XLP).

Risk-Off / Risk-On Wechsel im Konsumsektor

Dabei unterscheidet sich die letztgenannte Branche von den anderen dadurch, dass diese erstmals seit längerer Zeit wieder den Besten aller Tagesstempel erhält. Zugleich beobachten wir für heute eine Umkehrung im Stärke-Schwäche Verhältnis zwischen Basiskonsumgütern für den täglichen Bedarf (Lebensmittel, Getränke, Zahnpasta etc.) und Konsumgütern, die man aus bestimmten Gründen anschafft (Möbel, Turnschuhe, Handtaschen, Motorräder etc.).

Schaut man sich bei Aktien aus den defensiven Konsumgütern die fundamentalen Kennzahlen etwas genauer an, so bemerkt man schnell, dass viele – aber nicht alle – recht hoch bewertet sind. Dies vor allem im Vergleich zu Aktien aus dem Bereich Technologie. Die KGVs bei Getränke-Giganten wie beispielsweise Coca-Cola oder Pepsi liegen nominal teilweise genauso hoch wie die von deutlich stärker wachsenden Technologieaktien. Rein von der Bewertung her sollten daher Technologie-Aktien eigentlich ein besseres Chance-Risiko Verhältnis bieten als Aktien aus dem Lebensmittelbereich, so dass ich auch für die nächsten Wochen eigentlich Risk-On mehr Chancen einräume als Risk-Off. 

Aber wir wollen nicht traden, was wir denken, sondern was wir sehen. 

Bier, Snacks und Eier – wirtschaften Lebensmittelproduzenten aktuell wie im Schlaraffenland ?

Beispiele aus der Lebensmittelbranche

Gestern vorbörslich hatte die US-Bierbrauerei Molson Coors Brewing (TAP; Marktkapitalisierung: 11 Mrd. US-Dollar) Quartalszahlen gemeldet, die die Schätzungen der Analysten deutlich übertreffen konnten. Der Gewinn pro Aktie lag mehr als 20 % über den Schätzungen, der Umsatz ungefähr 15 % über den Schätzungen. Die Aussichten für das Jahr 2023 wurden vom Unternehmen jedoch geringfügig nach unten reduziert. Die Aktie konnte gestern gegen den Gesamtmarkt um 3 % steigen, gab vom erreichten Hoch zur Börseneröffnung aber deutlich ab (fast 5 % !). Der Abverkauf während des Handelstages ist vermutlich der Schwäche des Gesamtmarktes geschuldet, so dass die Chance, dass die Aktie die knapp 5 % Abgabeverlust in den nächsten Tagen oder Wochen wieder zurückerobern kann, nicht schlecht stehen. In der Vergangenheit waren solche großen schwarzen Kerzen im Tageschart meistens schnell wieder für Käufe in dieser Aktie genutzt worden.

Gegenüber Coca-Cola (KO) oder Pespsi (PEP) ist Molson Coors Brewing rein nominal von den KGVs und KUVs her um etwa die Hälfte günstiger bewertet. Das KGV 2023e bei Coca-Cola und Pepsi liegt etwa bei 24, das KUV bei 5 (Coca-Cola) bzw. bei 3 (Pepsi). Diese beiden Getränke-Giganten sind damit recht üppig bewertet. So manche Internet- oder Software Aktie wird aktuell auch mit solchen Multiples gehandelt.

Molson Creek kann jedoch mit einem günstigen KGV 2023e von 13 und einem KUV von 1 deutlich günstiger eingesammelt werden. Natürlich sind die Marken Coca-Cola und Pepsi bekannter als die Marken Lech, Fosters, Sol oder Tyskie (um nur 4 der zahlreichen Biermarken, die Molson Coors weltweit vertreibt, zu nennen). Investoren, die defensive Aktien bevorzugen, könnten in Molson Coors Brewing ein durchaus noch relativ günstig bewertetes Unternehmen aus dem Bereich der Bierbrauereien finden.

Ebenfalls stark zulegen konnte gestern der Lebensmittelproduzent und -vertreiber General Mills (GIS; Marktkapitalisierung: 46 Mrd. US-Dollar). Die Aktie stieg um mehr als 4 % und eröffnete wie Molson Creek mit einem Up-Gap. Auch hier sahen wir zunächst Verkäufe ab Handelseröffnung. Im Unterschied zu Molson Creek kam es zum Tagesende aber zu einem Rebound in der General Mills-Aktie. 

General Mills verkauft über Supermärkte Cerealien, Joghurts, Suppen, Dessert- und Backmischungen, Snackriegel, Eiscreme, Wellness-Getränke, Tiefkühlpizzen und tiefgefrorene Gemüsepackungen sowie Tiernahrung.

General Mills gab gestern über Reuters bekannt, dass seine jährlichen organischen Umsatz- und Gewinnprognosen angehoben werden. General Mills setzte auf Preiserhöhungen und eine starke Nachfrage nach seinen Snackriegeln sowie auf eine Erholung seines margenstarken Tiernahrungsgeschäfts.

Die Bewertung hinsichtlich KGVs und KUVs liegt nominal in etwa der Mitte zwischen Molson Creek und den Getränke-Giganten Coa-Cola und Pepsi. Für das KGV2023e wird für General Mills ein KGV von 19 und ein KUV von 2,5 angegeben.

Lebensmittelkonzerne, die ihre Produkte für den Endverbraucher produzieren, konnten zuletzt natürlich von der Inflation profitieren – zu Kosten der Endverbraucher. Das wird vermutlich auch der Grund gewesen sein, warum Molson Creek so ein starkes 4. Quartal präsentieren konnte.

Besonders krass scheint die an Endverbraucher weitergegebene Inflation in den USA bei den Preisen für Eier zu sein. Laut dem Bureau of Labor Statistics stieg der Preis für Eier im Januar 2023 um 150 % gegenüber einem Jahr zuvor auf 4,80 $ pro Dutzend. „Amerikanische Familien verdienen es zu wissen, ob die gestiegenen Preise, die sie für Eier zahlen, eine legitime Reaktion auf ein reduziertes Angebot oder außer Kontrolle geratene Gier der Unternehmen darstellen“, schrieben die Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts und ihre Vertreterin Katie Porter von Kalifornien. Als Grund für die hohen Preise nennt das US-Landwirtschaftsministerium die Vogelgrippe, die seit Anfang 2022 mehr als 58 Millionen Hühner und Puten das Leben gekostet hat. Aber eine Farmgruppe hat kürzlich die US-Behörden gebeten, zu untersuchen, ob bei Eierproduzenten ein wettbewerbswidriges Verhalten vorliegt und ob Unternehmen miteinander über Eierpreise kommuniziert haben. 

Nur Cal-Maine Foods (CALM), das etwa 20 % des US-amerikanischen Eiermarktes kontrolliert, ist börsennotiert. Das Unternehmen meldete in einer Einreichung bei der Securities and Exchange Commission Ende Dezember einen um 600 % gestiegenen Bruttogewinn. 

Die Aktie von Cal-Maine Foods verlor gestern zwar 3 %, stieg in den sechs Handelstagen davor aber um 15 %, so dass Gewinnmitnahmen gestern eigentlich nicht wirklich verwundern. Schaut man sich die Schätzungen der Analysten für die “Eieraktie” Cal-Maine Foods an, so denkt man zunächst, dass da wohl ein Datenbankfehler vorliegt. Nach einem Gewinn von 2,72 US-Dollar pro Aktie im Jahr 2022 erwartet das Unternehmen für 2023 tatsächlich einen Gewinn von 14,17 USD pro Aktie (über 500 % Gewinnanstieg bei einem erwarteten Umsatzanstieg von 70 %). Das KGV würde 2023 damit auf 4 sinken. Da die hohen Preise für Eier wohl nicht ewig lang so hoch bleiben können, gehen die Gewinnschätzungen in den Jahren 2024 und 2025 auch deutlich zurück, so dass für 2025 aktuell ein KGV von 23

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