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Marktradar vom 24. Januar 2023

Marktradar vom Dienstag, 24. Januar 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Dienstag, 24. Januar 2023

Die höheren Tiefs müssen nun halten

Der ETF für den S&P 500 konnte am Montag über 400 US-Dollar schließen. Vorbörslich notieren wir ein bisschen darunter. 

In dieser Handelswoche werden viele US-Unternehmen Quartalszahlen veröffentlichen, so dass vermutlich die Reaktion der Börsianer auf die Ergebnisse entscheiden dürfte, ob die 400er Marke nach oben verlassen werden kann oder ob sich dieser Widerstand weiterhin als hartnäckiger Gegner für die Bullen erweist.

Abnehmende Volatilität voraus ?

Der CBOE Volatity Index (VIX) pendelt seit 4 Handelstagen um die 20er Marke. Der VIX ist nicht direkt handelbar, wird vorwiegend als Gradmesser für die Angst im Markt genutzt. Seit Februar 2022 hat sich die 20er Marke als untere Begrenzung im VIX-Chart etabliert. Von dieser Marke aus setzte im S&P 500 seit nun fast einem Jahr meist eine Abwärtsbewegung ein.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es diesmal anders kommt. Sollte der VIX unter 19 fallen, könnte dies darauf hindeuten, dass die Volatilität an den Märkten in den nächsten Monaten abnehmen wird. Die 20er Marke könnte sich dann als obere Begrenzung etablieren – so wie das von Februar 2016 bis zur Corona-Pandemie im Januar 2020 der “Normalzustand” gewesen war. Die 20er Marke als obere Begrenzung ist bei langfristiger Betrachtung des VIX auch eher der Normalzustand als das, was wir seit Februar 2022 bis heute gesehen haben. 

Und je weniger Angst im Markt, desto weniger werden wir tiefere Tiefs in den Aktien sehen.

Aktuell dominieren in den 55 Länder- und Regionen-ETFs ex-USA, die ich täglich beobachte, eindeutig höhere Tiefs (in 80 % der Fälle). Wir sehen diese auch in den großen Aktienindizes aus den USA. In den meisten ETFs lassen sich diese höheren Tiefs für den vergangenen Donnerstag datieren. Das ist wirklich auffällig, was für eine Marktbreite diesem höheren Tief vom Donnerstag zugesprochen werden muss.

Damit sind die Stopp-Loss Schwellen nun klar definiert. 

Für die drei großen US-Aktienindizes liegen diese im SPY (S&P 500) bei 387,26. Im QQQ (Nasdaq 100) bei 273,89. Im IWM (Russell 2000) bei 180,78.

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes ?

Risk-On Bereitschaft wächst

Unsere Sektoranalyse zeigt eindeutig, dass die Risk-On Bereitschaft zunimmt. Gestern konnten auch die Solaraktien den Rebound nachholen, den wir am Freitag vermisst haben. Relativ viele 5-Tage-Hochs sehen wir nun in Aktien aus dem Bereich Technologie – vor allem Semiconductor-Aktien beginnen zu “rocken” und brechen aus Seitwärtsbewegungen nach oben aus.

Möbel und Vintage Produkte im Fokus

Die Branche mit den höchsten Kurszuwächsen am Montag war allerdings der Bereich E-Commerce. Hier sahen wir einen Short Squeeze beim auch Online tätigen Möbelhändler Wayfair (W; Short-Float über 30 %). Wayfair konnte am Freitag um 26,80 % nach oben schießen. Das Unternehmen hat Stellenstreichungen angekündigt, was die Shortseller dazu veranlasste, massivst Aktien zurückzukaufen.

Einer meiner persönlichen Favoriten aus dem E-Commerce Bereich ist Etsy (Marktkapitalisierung: 17. Mrd. US-Dollar). 

Dieser Online-Marktplatz verkauft vermehrt handgemachte Produkte – es finden sich auf der Plattform also viele Unikate. Daneben werden Vintage Produkte sowie alles, was mit Basteln, Malen und Dekorieren zu tun hat, verkauft. Aber auch Kosmetikprodukte und Spielzeug stehen online zum Verkauf. Durch Übernahmen ist Etsy nun auch im Fashion-Bereich unternehmerisch aktiv. Vor allem Frauen kaufen bei Etsy gern ein.

Der bekannte Value-Investor Bill Nygren hat sich im 3. Quartal eingekauft, als die Aktien zwischen 120 und 95 USD pendelten. Aktuell gibt es Etsy für knapp 140 US-Dollar zu kaufen. Der Value Investor Bill Nygren ist dafür bekannt, dass ihn neben der Bewertung vor allem die Geschäftsentwicklung eines Unternehmens interessiert, weniger die Aktienkursentwicklung. Als Value-Investor kauft er auch Aktien mit hohen KGVs, weil am Ende für ihn die zu erwartende Entwicklung im Unternehmen den Ausschlag gibt.

Bemerkenswert ist der noch hohe Short-Float in der ETSY-Aktie, der bei FinViz mit knapp 10 % angegeben wird. Das zeigt wiederholt auf, dass Shortseller nicht vor Aktien zurückschrecken, deren Geschäftsmodell wie Etsy langfristig erfolgreich bleiben dürfte – denn die Kundenbindung erscheint hoch – wie es bei Nischenanbietern bei Etsy auch sein muss, um im Haifischbecken E-Commerce bestehen zu können.

Im historischen Vergleich ist die Aktie unterbewertet, auch wenn das für 2023 erwartete KGV aktuell bei ca. 50 liegt und damit zumindest nominal nicht wie ein Schnäppchen wirkt. Etsy war einer der Corona-Profiteure gewesen, so dass Anleger Etsy im Jahr 2020 auch kauften, obwohl das KGV damals zwischen 100 und 200 lag. 

2022 schrieb Etsy erstmals seit 2017 wieder rote Zahlen. Allerdings ist dieser “Makel” nicht auf operative Misserfolge zurückzuführen, sondern ausschließlich auf eine nicht zahlungswirksame Abschreibung von 1,8 Mrd. USD zurückzuführen, die Etsy für die im Jahr 2021 übernommenen Firmen Elo7 und Depop vornahm. 

Ein KGV von 50 dürfte einer fairen Bewertung in etwa nahe kommen. Dreistellige Steigerungsraten bei Umsatz und Gewinn wie während der Pandemie lassen sich natürlich nicht wiederholen. Dennoch erwarten Analysten bis 2025 ein Umsatzwachstum von knapp 40 %, womit die Aktie 2025 mit einem KUV von um die 5 und einem KGV von um die 30 bewertet wäre.

 

Lithium nun doch bald ein neuer Branchen-Leader ?

Gestern erwähnte ich im Marktradar, dass das Chemieunternehmen Albemarle (ALB) den Kurseinbruch im Lithium-ETF nicht bestätigen konnte. Der Ausbruch konnte am Montag aber eindrucksvoll bei steigendem Handelsvolumen nachgeholt werden.

Schauen wir uns daher den Bereich Lithium etwas genauer an: 

Im Lithium-ETF (LIT) ging es wie in vielen Branchen-ETFs ab dem 4. Januar recht steil nach oben. Ab dem 13. Januar entwickelte sich eine kurze, flache Basis, die von relativ hohem Handelsvolumen begleitet war. Laut Lehrbuch wäre ein niedriges Handelsvolumen konstruktiver gewesen. Wie auch immer, am Freitag schloss der ETF auf einem 5-Tage-Hoch. Gestern donnerte der ETF weiter nach oben.

Schauen wir uns nun einige Lithium-Aktien an:

Das bereits erwähnte Uternehmen Albemarle (ALB; Marktkapitalisierung 28 Mrd. US-Dollar) ist ein Chemiekonzern, dessen Lithium-Geschäft ca. 40 % des Umsatzes ausmacht. Albemarle ist die am wenigsten volatile Aktie aus dem Lithium-Bereich und stellt für Anleger, die Hot Stocks aus dem Wege gehen möchten, die praktisch einzig brauchbare, an US-Börsen gelistete Aktienanlage im Bereich Lithium dar.

Schauen wir uns trotzdem ein paar Hot Stocks aus dem Bereich an:

Livent (LTHM; Marktkapitalisierung 4 Mrd. USD) stellt Lithiumhydroxid für Elektrofahrzeugbatterien her und dürfte hierbei über einen Marktanteil von ca. 5 % verfügen. Die Aktie hat vom 11. November bis Silvester etwa 45 % an Wert eingebüßt und setzte am 6. Januar zum Rebound an. Seitdem ist die Aktie über 30 % im Gewinn, liegt aber immer noch etwa 30 % unter dem Hoch vom 11. November. Der Short-Float liegt bei viel zu hohen 15 %, so dass diese Aktie nur für Zocker interessant ist. Allerdings gelang Livent gestern – wie Albemarle – recht eindrucksvoll der verspätete Ausbruch.

Standard Lithium (SLI; Marktkapitalisierung 800 Mio US-Dollar) konnte den Short-Float auf etwa 6 % drücken. Hier haben also bereits viele Leerverkäufer Kasse gemacht.  Dennoch ist der Short-Float immer noch zu hoch, um als mittel- bis langfristiger Anleger trendfolgend agieren zu können. Bei Standard Lithium sehen wir noch keinen Ausbruch, der charttechnisch so befreiend daherkommt wie bei Albemarle oder Livent.

Das heißeste Eisen im Lithium Bereich ist sicherlich American Lithium (AMLI; Marktkapitalisierung ca. 600 Mio US-Dollar). Die Aktie ist bisher in Toronto gelistet, soll aber noch in diesem Monat über die Nasdaq handelbar sein. Diese Ankündigung eines Zweitlistings führte zu einem starken Kursanstieg seit Jahresbeginn. In Deutschland ist die Aktie unter anderem bei Tradegate (WKN: A2DWUX) handelbar und konnte seit Jahresbeginn um 44 % steigen. Für mich eigentlich eher ein Short-Kandidat, sobald das Listing an der Nasdaq vollzogen wird – gemäß dem Motto: “Sell on good News”.

Durch den hohen Short-Float-Anteil sind alle genannten Aktien außer Albemarle (Short-Float dort ca. 3 %) wohl nur für Kurzfrist-Trader interessant. 

Angemerkt werden sollte vielleicht noch, dass die meisten im LIT-ETF gehaltenen Unternehmen nicht an US-Börsen handelbar sind. Albemarle ist mit einer Gewichtung von ca. 10 % zwar die am höchsten gewichtete Position im ETF, danach folgen drei Aktien aus Asien: Panasonic Holdings (Japan: WKN: 853666), BYD (China: WKN: A0M4W9), Samsung SDI (Südkorea: WKN: 923086).

Update zu Bonds und Silber

Zum Abschluss dieser Kolumne noch ein kurzes Update zu meinem Kommentaren gestern zu Bonds und Silber:

Für US-Staatsanleihen vergeben wir auch heute einen Entry Stempel auf der Longseite. Nun sind alle Laufzeiten betroffen.

Der ETF für den Silberpreis (SLV) eröffnete am Montag unterhalb des höheren Tiefs, was erst einmal negativ aus Sicht der Silberbullen zu bewerten wäre. Das am 18. Januar verortete höhere Tief lag bei 21,55 US-Dollar. Der SLV-ETF wurde gestern nach Handelseröffnung stetig gekauft und konnte immerhin 0,03 US-Cent über dem Tiefkurs vom Donnerstag schließen (21,58 US-Dollar). 

Vorbörslich sehen wir in den Silber-Futures leicht ansteigende Kurse. Nun ist es wichtig, dass der Silberpreis zügig den Ausbruch nach unten als Fehlausbruch ausweisen kann. Wenn das heute und morgen nicht gelingt, dann dürfte der Kurs im SLV-ETF in den nächsten Tagen oder Wochen Richtung 20 US-Dollar Marke fallen – das entspricht einem Abwärtspotential von etwa 7,5 %.

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Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.