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Marktradar vom 6. Februar 2023

Marktradar vom Montag, 6. Februar 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Montag, 6. Februar 2023

Robuster Arbeitsmarkt: Gut für Zykliker, schlecht für Gold

Die großen US-Aktienindizes fielen am Freitag zurück, als bekannt wurde, dass die Wirtschaft im Januar 517.000 Arbeitsplätze geschaffen hat – eine Zahl, die weit über der Konsensschätzung von 185.000 lag. 

Die Arbeitslosenquote sank auf 3,4 %. Ökonomen hatten einen leichten Anstieg auf 3,6 % erwartet. 

Die Fed wünscht sich einen nachlassenden Arbeitsmarkt, um die Inflation zu senken. Aber wünschen sich Unternehmen auch einen nachlassenden Arbeitsmarkt ?

Natürlich nicht. Ein nachlassender Arbeitsmarkt führt meistens in eine Rezession. Unternehmen wollen selber entscheiden, ob sie die Belegschaft reduzieren oder nicht – nicht durch eine schwache Wirtschaft dazu gezwungen werden. 

Und wenn Unternehmen quasi freiwillig Arbeitnehmer in Zeiten des Fachkräftemangels entlassen, dann vor allem, um in der Kosteneffizienz bei zukünftigen Quartalsberichten punkten zu können. “Seht her, Ihr lieben Analysten: die Umsätze sind zwar zurückgegangen, aber die Gewinnmargen sind gestiegen”. 

Analysten honorieren ein Ansteigen der Profitabilitätskennzahlen in einem an der Börse notierten Unternehmen in der Regel mehr als im abgelaufenen Quartal erzielte Umsatzerlöse. 

Gestiegene Umsatzerlöse sind Schnee von gestern. Höhere Gewinnmargen sind die Steine, auf die die CEOs jetzt bauen können.

Solange sich eine Rezession nicht durch einen schwachen Arbeitsmarkt und negative Wachstumsraten ankündigt und damit kein Grund für die FED besteht, die Zinsen zu senken, dürften Börsianer Freude mit Zyklikern haben.

Wachstumsunternehmen mit einer bereits aufgebauten Marktmacht brauchen jetzt nicht dringend niedrigere Zinsen, um wachsen und expandieren zu können. Aktuell wollen solche Wachstumsunternehmen profitabler werden und nehmen dabei Umsatzeinbußen und Verzicht auf Expansion in Kauf. Bekannte Beispiele, die aktuell durch alle Medienkanäle in unsere Ohren dringen: Meta Platforms (META), Amazon (AMZN), Alphabet (GOOGL). Der Fokus von CEOs auf Profitabilität ist typisch für jeden Beginn einer Hausse am Aktienmarkt.

Dass der Aktienmarkt nach den am Freitag vorbörslich um 14:30 Uhr veröffentlichten Arbeitsmarktdaten mehrheitlich gefallen und nicht gestiegen ist, ist nur ein Reflex: “Höhere Zinsen sind schlecht für Aktien”. Wer an diesen Satz jetzt noch glaubt, hat den Mittwochabend verpasst. Denn wer hat denn jetzt, nachdem der US-Notenbankpräsident Jerome Powell am Mittwoch auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid eindeutig signalisiert hat, dass die Entwicklung des Aktienmarktes nicht mehr im Fokus der FED steht, Angst vor Zinserhöhungen ? 

Es gibt sie aber tatsächlich noch, diese Angsthasen. Und diese Angst ist nicht ganz unberechtigt. Wir haben am Freitag nämlich deutlich gesehen, wer vor Zinserhöhungen Angst hat: nämlich jeder, der auf ein zinssensibles Asset, wie Gold es beispielsweise ist, setzt. Dazu unten gleich mehr.

Wer auf konjunktursensible Assets setzt – wie es Aktien aus zyklischen Branchen wie beispielsweise Maschinenbau, Elektrogeräte oder Logistiker im Transportwesen und in der Lagerhaltung sind -, für den kann die Angst vor Zinserhöhungen nun abgehakt werden. 

Spätestens wenn die Zinsen wieder gesenkt werden (mit der Begründung, dass eine zu stark schwächelnde Wirtschaft von der Notenbank unterstützt werden soll), dürften zyklische Aktien “unter die Räder” kommen. 

Solange die Zinsen nicht gesenkt werden, dürften konjunktursensible Aktien weiter steigen.

Was sehen wir unter dem Radar der großen Aktienindizes?

Crash in kurzer Zeitspanne

Einen Crash bei Gold – und zwar einen Crash in kurzer Zeitspanne. Auch das gibt es an der Börse.

Im Chart des ETFs für den Goldpreis (GLD), sahen wir noch am Mittwoch per Tagesschluss ein neues 8-Monats-Hoch. Es schien ausgemacht, dass Gold und Minenaktien aus dem Edelmetallbereich nach oben durchziehen werden – und ein Goldpreis über 2000 USD schien auch in greifbarer Nähe zu liegen.

Am letzten Freitag wurde das am 27. Januar gebildete höhere Tief jedoch mit “Karacho” unterschritten. Damit fand ein Trendwechsel in einer zeitlich kurzen Spanne von 2 Tagen statt. 

Anleger sollten jetzt nicht auf eine schnelle Rückeroberung des Hochs spekulieren – schon gar nicht auf einen Goldpreis über 2000 USD. Wahrscheinlicher wird nun eine länger andauernde Konsolidierung oder gar Korrektur.

Was wir am Freitag bei Gold sahen, sehen wir übrigens auch in den meisten Charts von Aktien aus dem Gold- und Silberminenbereich. Auch in den Charts von den drei Goldminenaktien mit der höchsten Marktkapitalisierung Newmont (NEM), Barrick Gold (GOLD) und Agnico-Eagle Mines (AEM) sahen wir am Freitag, dass ein zuvor gebildetes höheres Tief im Tageschart mit Karacho unterschritten wurde.

Bonds technisch weniger angeschlagen als Gold

Das dritte bekannte Asset, das oft neben Aktien in Asset-Kalkulationen von Mischfonds einfließt, sind US-Staatsanleihen. Im ETF für langlaufende US-Staatsanleihen (TLT) sahen wir ein höheres Hoch am 2. Februar. Der Rücksetzer am Freitag hatte keinen Crash-Charakter wie bei Gold. Der Tagesschlusskurs am Freitag liegt noch über dem höheren Tief vom 31. Januar. Im TLT-ETF ist also technisch der Aufwärtstrend seit Jahresbeginn intakt. Allerdings verorten wir im Chart nun ein Doppeltopp um 109 USD. Eine mehrwöchige Konsolidierung zwischen 100 und 109 USD wäre nun ein mögliches Szenario (Schlusskurs am Freitag im TLT-ETF: 106,70 USD).

Öl- und Uran-Aktien unter Abgabedruck

Auch Rohstoffaktien aus den Bereichen Öl und Uran kamen am Freitag kräftig unter die Räder.

Der ETF für den Bereich Uran (URA) hat nun zwei Tage in Folge korrigiert und dabei das letzte höhere Tief, das im Chart für den 31. Januar zu verorten ist, unterschritten. Außerdem wurde eine Gewinnserie über 9 Handelstage in 2 Handelstagen “geschreddert”. Auch im Bereich Uran wird damit nun eine Konsolidierung oder gar Korrektur wahrscheinlicher als eine Rückeroberung alter Hochs. Hinzu kommt, dass das Handelsvolumen im URA-ETF an den letzten zwei Handelstagen so exorbitant hoch war, dass schon von daher von einem Swing-Long Manöver abzuraten wäre.

Erwähnt werden sollte aber, dass die weltweit am höchsten kapitalisierte Aktie aus dem Uran-Bereich, Cameco (CCJ), im Vergleich zum URA-ETF noch recht gesund aussieht. Der heftige Kursrückgang im URA-ETF scheint mehrheitlich auf das Konto geringer kapitalisierter Aktien zu gehen.

Swing Long Manöver

Tatsächlich vergibt der Marktradar für Montag Entry-Stempel: wir sehen also durchaus Einstiegschancen für Swing-Long Manöver. Und zwar in den Branchen Agrar (MOO), Chemie (XLB), Lithium (LIT), Luft- und Raumfahrt (ITA) und Solar (TAN).

Leader Aktien, mit denen Trader Swing Einstiege auf der Long-Seite eingehen könnten wären laut meinen Scans beispielsweise:

Agrar: FMC Corp. (FMC)

Chemie: Univar (UNVR)

Lithium: Albemarle (ALB)

Luft- und Raumfahrt: TransDigm (TDG)

Solar: SolarEdge (SEDG)

Wo jetzt aufstocken ?

Relativ unbeeindruckt von der Marktkorrektur zeigten sich am Freitag die Finanzwerte (insbesondere die Regionalbanken). Hier sehe ich gute Chancen für das Anlaufen weiterer Hochs. Mögliche Leader-Kandidaten:

Banken: East West Bancorp (EWBC)

Regionalbanken: TriCo Bancshares (TCBK)

Auch konjunktursensible Branchen-ETFs wie Stahl (SLX), Industrie (XLI), Technologe (XLK) und Transport (IYT) zeigten sich am Freitag ziemlich unbeeindruckt von den robusten Arbeitsmarktdaten. Wir haben oben bereits geschrieben, warum hier Panik wegen robuster Arbeitsmarktdaten absolut fehl am Platze ist. Mögliche Leader-Kandidaten:

Stahl: Commercial Metals (CMC)

Industrie: United States Lime & Minerals (USLM)

Technologie: SPS Commerce (SPSC)

Transport: Old Dominion Freight Line (ODFL)

Und wie geht es bei China-Internet weiter ?

Im ETF für chinesische Aktien aus dem Bereich Internet (KWEB) verorten wir inzwischen ein tieferes Tief (30. Januar) und ein tieferes Hoch (1. Februar). Damit wird charttechnisch gemäß simpler Dow-Theorie für heute eine Konsolidierung eingeleitet. Ein Testen der 30 US-Dollar-Marke im KWEB-ETF (Tagesschluss am Freitag: 33,35 USD) sollte zumindest einkalkuliert werden, bevor Trader neue Long-Manöver wagen sollten. Alternativ würde ein Überschreiten von 36 US-Dollar im KWEB-ETF die Konsolidierung vorzeitig beenden.

Parallel sehen wir dieses Muster auch in ETFs, die vermehrt Aktien aus China halten, wie z. B. für China Large Caps (FXI), Hongkong (EWH), aber auch im Bereich Emerging Markets (EEM). Ob China noch zu den Emerging Markets gezählt werden soll, kann sicherlich kontrovers diskutiert werden. Fakt ist aber, dass China in Emerging Market Portfolios vorkommt und Japan nicht.

Top Wachstumsaktie Extreme Networks

Beim Scannen nach Aktien, die sich auf der rechten Seite einer Basisformation befinden und in Kürze alte Hochs anlaufen könnten, fiel mir die relative Wochenstärke der Aktie Extreme Networks (EXTR) auf. EXTR schloss am Freitag nah am Tageshoch und erzielte damit den vierten Gewinntag in Folge. Für den vergangenen Freitag verorten wir zudem das höchste Handelsvolumen im Wochenverlauf. In diese Aktie wurde in dieser Handelswoche also stetig akkumuliert und es fand gegenläufig zum Gesamtmarkt am Freitag kein Rücksetzer statt.

Extreme Networks ist ein Anbieter von Netzwerkinfrastruktur und machte zuletzt einen Wandlungsprozess von einem reinen Hardware- zu einem Multifunktionsanbieter durch, wobei das Ende der Wandlungsphase 2022 erreicht worden sein dürfte. Nach Umsätzen gilt Extreme Networks inzwischen sogar als einer der größten Cloudmanagement-Netzwerkprovider (CMNP). Das überrascht etwas, wenn man eine solche starke Marktposition mit der geringen Marktkapitalisierung von 2,5 Mrd. USD ins Verhältnis setzt. Und in der Tat scheint Extreme Networks noch wie ein Hardwareanbieter bewertet zu werden: das KGV 2025e wird aktuell auf 11 geschätzt – das wäre deutlich zu günstig: Von 2022 bis 2025 soll die Aktie laut Analystenschätzungen den Gewinn um 500 % steigern können, wobei der größte Anstieg für 2023 erwartet wird (etwa 300 % gegenüber 2022). 

Etwas kritisch am Unternehmen wäre die relativ hohe Finanzverschuldung zu sehen.

Nach Veröffentlichung der Quartalszahlen vorbörslich am 25. Januar verlor die Aktie in der Spitze knapp 25 % gegenüber dem Vortag. Dabei lagen die vom Unternehmen präsentierten Zahlen zu Umsatz und Gewinn deutlich über den Erwartungen, die beim Umsatz um etwa 5 % positiv überraschten und beim Gewinn sogar um satte 30 % ! Die Aussichten beim Umsatz für das nun laufende Quartal lagen leicht über den Schätzungen, die Aussichten für den Gewinn jedoch nur in der Mitte der von Analysten erwarteten Preisspanne. 

Am Earning Day bestraften Börsianer die Aktie also nicht wegen schwacher Zahlen, sondern wollten angehäufte Gewinne realisieren. Seit dem Corona-Tief ist die Aktie immerhin um fast 1000 % gestiegen.

Nach dem Reißaus der Anleger am Earning Day wurde die Aktie konstant bis letzten Freitag akkumuliert. Aktuell sieht die Aktie etwas überkauft aus. Bei einem Rücksetzer könnte die Aktie aufgegriffen werden. 

Der Abverkauf am Earning Day erweist sich nun – wenn auch um ein paar Tage verspätet – als mögliche Chance, mittel- bis langfristig eine noch relativ günstig bewertete Top Wachstumsaktie zu kaufen.

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