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Marktradar vom 9. Januar 2023

Marktradar vom Montag, 9. Januar 2023 von Stefan Pröhl

Marktradar für Montag, 9. Januar 2023

Nun haben wir den Richtungswechsel, oder?

Sowohl der S&P 500, als auch der Nasdaq 100 und der Russell 2000 beendeten die erste Handelswoche des neuen Jahres im Plus. 

Na also, geht doch !

Damit folgte der US-Aktienmarkt doch noch den guten Vorgaben aus den meisten Regionen ex-USA. 

Wirtschaftsdaten ließen Aktienkurse steigen

Was war am Freitag der Grund für den Stimmungsumschwung? In erster Linie waren das neue Wirtschaftsdaten gewesen: Die Marktteilnehmer an der Wall Street erhielten am Freitag neue Daten vom US-Arbeitsmarkt, zum Auftragseingang in der Industrie sowie zur Stimmung im Dienstleistungssektor und kamen zu der Auffassung, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen demnächst wohl nicht mehr so stark anziehen dürfte wie zuletzt. Eine Konjunktureintrübung in den Vereinigten Staaten müsse noch keine tiefe Rezession bedeuten. Handfeste Gründe für eine geringere Rezessionsangst kommen nämlich von der GDP-Now Datenerhebung, mit der für das vierte Quartal 2022 aller Voraussicht nach ein Bruttoinlandsprodukt von um die 4 % für die USA bekannt gegeben wird. 

Die Inflationssorgen nehmen auch ein bisschen ab, obwohl sich der Arbeitsmarkt in den USA weiterhin als robust erweist. Weil der Druck von der Lohnkostenseite etwas abzunehmen scheint, wetten Marktteilnehmer nun darauf, dass sich die bereits beobachtete Tendenz einer sich abschwächenden Inflation eher verstärken wird – und das trotz geringer Arbeitslosenquote.

Am Freitag hatte ich den Marktradar noch mit dem Satz “Orientierungslos warten wir auf den Richtungswechsel” eingeleitet. Nun könnte der Richtungswechsel vollzogen worden sein: 

Die ETFs auf den S&P 500 (SPY) und den Russell 2000 (IWM) konnten im Chart über vergangene tiefere Hochs schließen. 

Der ETF auf IPO Aktien in den USA (IPO) erhält zwar weiterhin den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren”, fiel am Freitag zunächst auch unter das letzte tiefere Tief vom 28. Dezember. Dann kam es jedoch zu einer Umkehr und der ETF schloss knapp unter dem Tageshoch. Solchen Reversals folgen häufig Tage, die die Umkehrbewegung fortsetzen. Denn eine Umkehr erfolgte nicht nur charttechnisch: Auch die Stimmung der Marktteilnehmer hat sich gedreht.

Den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” erhält mittlerweile wieder der ETF mit dem Symbol RSP, in dem die Aktien aus dem S&P 500 gleichgewichtet werden. Ebenso der ETF mit dem Kürzel IWD, in dem vorherrschend US-Aktien enthalten sind, die dem Faktor Value zuzuordnen sind. Das legt uns nahe, dass eine Marktschwäche nicht mehr für den gesamten US-Aktienmarkt gilt, sondern vorwiegend für Aktien, die dem Faktor Growth zuzuordnen sind.

Was sehen wir unter dem Radar der großen US-Aktienindizes?

Heute möchte ich Ideen sowohl für prozyklische als auch antizyklische Einstiege für die Long Seite aufgreifen. Außerdem noch einmal auf Silberpreis und Silberminen eingehen.

Beginnen wir mit den prozyklischen Ideen:

Am Freitag sahen wir endlich wieder Ausbrüche aus flachen Basen, die sich unter markanten Hochs gebildet hatten. 

Als erstes schauen wir uns zwei Aktien aus dem Bereich Versicherungen an:  

Aflac (AFL) und Progressive (PGR): Aflac ist auf Kranken- und Lebensversicherungen spezialisiert und verkauft diese vorwiegend in den USA und Japan. Progressive hat seinen Schwerpunkt in den Geschäftsbereichen KFZ-Versicherungen und Immobilienversicherungen.

Beide Aktien konnten eine ca. einmonatige flache Basis nach oben mustergültig verlassen und notieren nun am Allzeithoch. Das Handelsvolumen war in beiden Aktien höher als am Vortag, zeigt aber keine Dynamik. Dennoch könnte nun ein guter Zeitpunkt für ein prozyklisches Vorgehen sein, zumal Versicherungen als Profiteur anhaltend hoher US-Leitzinsen gelten.

Als zweites fielen mir zwei Aktien aus dem Bereich Chemie auf. Die beiden großen Big-Player aus den USA, Dow Inc. (DOW) und DuPont de Nemours (DD) konnten ebenfalls aus einer flachen Basis nach oben ausbrechen, notieren aber noch ungefähr 25 % unter den Allzeithochs. Hier könnten Anleger darauf spekulieren, dass mit dem Ausbruch nun für das Projekt Bodenbildung die Endphase eingeläutet wird. Mittelfristig könnten die alten Hochs angelaufen werden. 

Nun folgen zwei antizyklische Ideen:

Die Branche Software wird zwar noch mit “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren” abgestempelt, aber wir sahen am Freitag in dem entsprechenden ETF IGV eine ähnliche Umkehrbewegung wie beim IPO ETF. Ich habe nach Aktien gesucht, wo wir ein ähnliches Muster wie im IPO ETF sehen und nun auf eine mehrtägige Fortsetzung der Umkehrbewegung spekulieren könnten.

Zum einen fiel mir Autodesk (ADSK; Marktkapitalisierung: ca. 40 Mrd. $) auf. Autodesk verkauft 3D-Software, auf die Designer und Architekten angewiesen sind. Mit dieser Software können Firmen die Fertigung von Autos und Gebäuden planerisch vorbereiten. 

Die Aktie konnte am Freitag die starke Unterstützung bei 180 $ verteidigen. Intraday fiel die Aktie zunächst unter 180 $ und auf ein neues Tief zum Vortag, konnte aber umkehren und schloss nah am Tageshoch. Das Handelsvolumen war niedriger als am Vortag, was die Long Chance etwas eintrüben lässt. Die 180er Marke stellt im Chart – und das finde ich hier maßgeblich – die alles entscheidende horizontale Unterstützung dar, die jeder, der die Aktie charttechnisch verfolgt, im Auge hat. Mit der Platzierung eines Stopp-Loss bei knapp unter 180 $ kann nun spekuliert werden, dass wir bei der Aktie Kursnotierungen unter 180 $ nicht mehr sehen werden.

Eine ähnliche antizyklische Long Chance kann bei Tyler Technologies (TYL; Marktkapitalisierung ca. 13 Mrd. $) erblickt werden. Das Unternehmen bietet Softwarelösungen für die US-Regierung an. Diese betreffen – neben anderen – die Finanz- und Steuerverwaltung sowie die Justizbehörde.

Im Chart von Tyler Technologies dreht sich jetzt alles um die 300 US-Dollar Marke. Sollte diese unterschritten werden, dann müsste das Projekt Bodenbildung vermutlich dem Drama Abwärtssog weichen. Die Aktie bildete am Freitag wie Autodesk eine Umkehrkerze aus, fiel intraday unter das Tief vom Vortag, nur um danach schnell die Richtung zu wechseln. Da das Handelsvolumen eher mäßig ausfiel, muss ein nochmaliger Test der 300er Marke einkalkuliert werden, zumal diese am Freitag nicht berührt wurde (Tiefstkurs lag bei 301,74 $). Aber auch hier gilt: jeder, der die Aktie charttechnisch verfolgt, erkennt die 300er Marke als die jetzt alles entscheidende horizontale Unterstützung im Chart an.

Für beide antizyklischen Ideen dürfte die maßgebliche Voraussetzung für ein Gelingen sein, dass der gesamte Software-Sektor – wie vielleicht auch IPO Aktien – nun das Tal der Tränen verlässt.

Fliegende Untertassen im Silberglanz

Noch ein kurzer Blick auf Silberpreis und Silberminen: Die Minengesellschaften, die Donnerstag noch nah unter einem Zwischenhoch notierten, konnten dieses am Freitag überwinden. Auch Wheaton Precious Mining (WPM) und SSR Mining (SSRM). Beide verdienen bei einem steigenden Silberpreis kräftig mit. Dieser hinkt den Silberminen nun ein bisschen hinterher, da der Ausbruchsversuch im entsprechenden ETF SLV am ersten Handelstag dieses Jahres gescheitert war. Wheaton Precious Mining und SSR Mining verlassen in den Charts nun über mehrere Monate ausgebildete Untertassenformationen. Wer noch nie eine fliegende Untertasse im realen Leben gesehen hat, könnte beim Blick auf diese Charts nun an so eine denken. Fata Morgana, wir rufen Dich ! Aber was schert uns das, hauptsache, diese Aktien heben nun auch richtig ab. Chartanalysten sprechen bei solchen UFO-Charts gerne von einem “Strong Buy”.

Fast alle beobachteten Regionen ex-USA sind nun kaufbar

Ich beobachte für den Marktradar 54 Länder-ETFs. Von diesen erhalten heute nur noch vier den Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell off spekulieren”: Indien, Indonesien, Israel und Pakistan

Saudi Arabien und Katar haben nun erste höhere Hochs gebildet und könnten nach dem Abverkauf in eine Seitwärtsphase übergehen. 

Etwas kipplig sehen Japan und Norwegen sowie Südkorea, Vietnam und Nigeria aus. Hier könnte charttechnisch noch Ungemach drohen.

Kanada scheint die Schwächephase nun überwunden zu haben – wohl auch dank der an der Börse in Toronto gelisteten Gold-, Silber- und Kupferminenaktien. Die Kerze vom Freitag im entsprechenden ETF EWC sieht mir wie ein Befreiungsschlag aus, der nun richtungsweisend wirken sollte.

Im Rest der Welt sieht es nun so aus, als ob man Trendfolgeaktivitäten für die meisten Regionen wagen könnte.  

Vor dem Jahreswechsel überwog – insbesondere in den USA – eine äußerst negative Stimmungslage. Die Stimmung scheint gestern aber recht deutlich ins Positive gewandert zu sein. Marktteilnehmer könnten sich in den nächsten Tagen und Wochen genötigt sehen, ihre im Dezember erhöhten Cashbestände wieder abzubauen.

Hinweis:
Gemäß §34 WpHG weise ich darauf hin, dass die Kolumne “Marktradar” ausschließlich Informationszwecken dient und in keinem Fall Empfehlungen zum Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren darstellen. Ich gebe hier ausschließlich meine eigene Meinung wieder und berate niemanden. Die hier vorgetragenen Ideen können vom Autor aktiv in seinen privaten Depots (inklusive wikifolios) umgesetzt werden oder auch nicht. Interessenkonflikte können in jedem Fall und jederzeit bestehen. Auch wenn ich die Kolumne nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, können jederzeit Fehler auftauchen. Die Haftung für Vermögensschäden, die aus der Nutzung der von mir veröffentlichten Ausführungen für eine Anlageentscheidung resultieren können, ist kategorisch ausgeschlossen. Ich lehne jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, die direkt oder indirekt durch die Benutzung des Inhalts entstehen.