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Marktradar vom 10. November 2022

Marktradar vom Donnerstag, 10. November 2022 von Stefan Pröhl

Mining in der Krise

US-Inflationsdaten sorgen für Unsicherheit

Die Volatilität der Volatilität, die durch den VVIX gemessen wird, ist im Vorfeld der Midterm Elections deutlich stärker angestiegen, als ein Blick auf den VIX vermuten lassen würde. Auch an Handelstagen, in denen der SPY positiv schloss, ist die Volatilität seit vergangenen Freitag angestiegen, was grundsätzlich in die Phase, die politischen Entscheidungen vorangeht, passt. Es ist davon auszugehen, dass mit Bekanntgabe der neuen Mehrheitsverhältnisse im Senat und im Repräsentantenhaus die Volatilität der Volatilität wieder abnehmen wird. Sollte es jedoch zu einem “Kopf an Kopf Rennen” kommen und eindeutige Ergebnisse vertagt werden müssen, dann könnte die Volatilität noch eine Weile hoch bleiben.

Das Abfallen der Volatilität nach solchen politischen Events hat in der Vergangenheit meist zu einer positiven Tendenz am Aktienmarkt geführt. Die große Ausnahme von der Regel stellte allerdings das Jahr 2018 dar.

Gestern war allerdings so ein Tag, der so manchem Anleger, der 2018 dabei war, den “Schweiß in den Nacken treiben könnte”. Au weia! Bitte nicht nochmal so einen Weihnachts Crash wie 2018 !

Gestern gab es einen Dämpfer für den IWM, also dem ETF für Small und Midcaps aus den USA. Nicht nur dass er einen prozentual höheren Tagesverlust als QQQ und SPY hinnehmen musste drückt auf die positive Stimmung; auch der Tagesstempel, der ihm durch mein Radarsystem für heute verpasst wird, lässt die Hoffnung auf einen positiven Jahresabschluss schwinden: Statt “Kaufen oder Aufstocken” steht er nun “Unter Beobachtung”.

Stefan Pröhl

Technischer Analyst & Wikifolio Trader

Verschiebung im Bondmarkt nur kurzfristig?

Wir beobachten für heute auch Verschiebungen im Bondmarkt: US-Unternehmensanleihen werden für heute auch auf “Unter Beobachtung” abgestuft. Im Gegenzug gab es gestern eine leicht erfreuliche oder besser: endlich weniger belastende Bewegung bei den US-Staatsanleihen mit kürzeren Laufzeiten bis etwa 10 Jahre. Im Unterschied zum breiten Aktienmarkt konnten diese einen Tagesgewinn verbuchen. Statt “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren” wird für diese ETFs nun auch der Tagesstempel “Unter Beobachtung” vergeben. Langlaufende US-Staatsanleihen (20+) konnten zwar auch einen Tagesgewinn verbuchen, werden aber für die mittelfristige Handelsempfehlung weiterhin mit dem Tagesstempel “Abwarten oder auf Sell Off spekulieren” abgespeist.

Eine leichte Entspannung bei US-Staatsanleihen stand also einer Unlust, Aktien und Unternehmensanleihen zu kaufen, gegenüber. Daraus schließen zu wollen, dass wir nun am Beginn einer Phase stehen, in der Bonds und Aktien negativ korrelieren, wäre verfrüht – nur eine Kurzschlussreaktion wäre das, mehr nicht. Morgen könnte alles schon ganz anders aussehen.

Kommt es gleich zu einer Überraschung?

Morgen? Nein! Bereits heute, eine Stunde vor Börsenbeginn, könnte alles, was ich oben schrieb, Makulatur sein. Wenn nämlich die um 14:30 Uhr deutscher Zeit veröffentlichen Verbraucherpreise für die US-Wirtschaft auch nur leicht unter den pessimistischen Schätzungen liegen, dann sollte der Aktienmarkt kräftigen Rückenwind bekommen – zumindest ist eine solche Reaktion die einhellige Meinung, die über die Finanz Kolumnen dieser Welt an diesem Morgen verbreitet werden. Aber die Meinung aller ist in den seltensten Fällen auch die Meinung des Marktes. Die Börse lebt von Überraschungen – wäre dies anders, käme kein fortlaufender Handel zustande.

Ein Vorzeichen, dass die Verbraucherpreise womöglich höhere Inflationstendenzen anzeigen als gedacht, liefert die gestern veröffentlichte Erhebung von GDP Now zum Bruttoinlandsprodukt in den USA. Für das 4. Quartal wird nun ein Anstieg des BIP um 4 % erwartet. Die US-Wirtschaft brummt ungebremst weiter. Jerome Powell dürfte 4 % gar nicht gefallen. Schon 2 % wäre ihm wohl viel zu viel. 4 % kommt überraschend. Damit hätten wohl nur wenige gerechnet.

 

Überraschende Sentimentdaten

Apropos Überraschung. Überraschend fand ich auch, dass die von der American Association of Individual Investors (aaii) heute vormittag veröffentlichte Erhebung zum Sentiment in der Zeit vom 2. bis zum 9. November stark ins Bärische umgeschwenkt ist. Waren die Bären gegenüber den Bullen am 2. November noch mit 2,3 % in der Überzahl, so hat sich dieses Übergewicht in 7 Kalendertagen nun auf 21,9 % erhöht. Dieses Umschwenken ist als massiv einzustufen. Okay, der S&P 500 hat sich in dieser Zeitspanne volatil bewegt – insbesondere am vergangenen Mittwoch während der 90 minütigen Befragung von Jerome Powell durch Journalisten – insgesamt aber nur etwa 1 % nachgegeben. Offensichtlich teilen die Privatanleger nicht die Ansicht von institutionellen Händlern, die mehrheitlich davon ausgehen, dass wir bis in den Dezember eine Art Jahresendrallye sehen werden.

Was fiel uns unter dem Radar der großen Aktienindizes auf?

Droht nun eine Krypto Krise ?

Natürlich der Abverkauf bei allen Aktien, die in irgendeiner Weise mit dem Bitcoin in Verbindung gebracht werden.

MicroStrategy (MSTR), ein Unternehmen, das seine Geschäftsaktivitäten zwecks Hortung von Kryprtowährungen aufgegeben hat, verlor in zwei Handelstagen fast 40 % an Wert.

Banken, die Plattformen für den Handel mit Kryptowährungen anbieten, wurden auch abgestraft. So verlor Silvergate Capital (SI) etwa 30 Prozent in zwei Handelstagen, die Signature Bank (SBNY) kam mit etwas über 10 % Verlust in zwei Handelstagen noch relativ glimpflich davon.

Die weltweit größte Börse für den Handel mit Kryptowährungen, Coinbase Global (COIN), verlor ca. 20 % in zwei Handelstagen.

Hut 8 Mining (HUT), ein in Kanada beheimatetes Unternehmen, das Bitcoin Mining im industriellen Maßstab betreibt, verlor ebenfalls nur 20 %. Wenn man allerdings im Chart zu dieser Aktie sieht, dass Hut 8 Mining vor fast exakt einem Jahr (am 11. November 2021) noch mit 16,57 $ ein Allzeithoch erreichte und aktuell für 1,73 $ kaufbar ist (also 90 % Verlust in 12 Monaten), dann kann man erahnen, wie es um die Zukunftsaussichten des klassischen Mining Geschäftes im Bitcoin steht.

Gold- und Silberminen ohne Wachstum

Kommen wir lieber zum wirklich klassischen Mining Geschäft. Wo nicht Rätselraten im Zahlenwust, sondern mit Baggern, Hacke und Schaufel nach Gold und Silber geschürft wird – der nostalgische Impetus sei mir hier bitte verziehen.

Ich habe mir heute angeschaut, wie die Quartalsergebnisse der Gold- und Silberminen gestern ausgefallen sind. Und diese muss man allesamt als schlecht, wenn nicht gar als desaströs bezeichnen. Alle Unternehmen waren weit davon entfernt, auch nur in Ansätzen die Erwartungen des Marktes zu erfüllen. Da wundert es schon ein bisschen, dass die meisten dieser Unternehmen zuletzt deutlich besser als der Goldpreis abgeschnitten haben. Wo soll da Wachstum entstehen ?

Ich bin aus allen Gold- und Silberminen erst mal raus, auch wenn der ETF für Goldminen (GDX) und auch der ETF für Silberminen (SI) aktuell den Tagesstempel “Kaufen oder Aufstocken” vom Marktradar erhält.

Update zu den Doji Ideen von gestern

Die Pommes Frites Aktie Lamb Weston (LW) ist unter den Doji gerutscht. Ich bin gestern nicht eingestoppt worden und lösche nun die Order.

In der “Super-Aktie” Super Micron Computer (SMCI) bin ich gestern eingestoppt worden, nachdem der Doji überschritten wurde, aber ich wurde auch kurz danach ausgestoppt. Das war der Schwäche des Gesamtmarktes geschuldet. Ich setze eine neue Stopp-Buy Order in der Aktie und passe diese an das neu erreichte Tageshoch an.

Zwei Swing Ideen

Für heute fallen mir zwei Swing Trading Ideen ins Auge:

Calix (CALX) könnte gestern bei hohem Handelsvolumen ein Swing-Tief nach den starken Quartalszahlen gesehen haben. Das Problem bei Swing Tiefs ist, dass es oft noch weiter runter gehen kann. Meistens öfter als man glaubt. Ich positioniere mich heute mit einer kleinen Position, die ich in den nächsten Tagen – je nach Kursverlauf – anpassen würde. Der Abverkauf nach den tollen Earnings ist mir eigentlich etwas zu heftig vonstatten gegangen. Das Unternehmen aus dem Bereich Multimedia Networking mit Schwerpunkt Cloud Architektur ist mit einem KGV 2024e von 40 nun wahrlich kein Schnäppchen. Charttechnisch sollten bei 60 EUR aber so viele potentielle Käufer sitzen, dass diese Marke eine Unterstützung darstellt, die mir ein bisschen wie “aus Beton gebaut” erscheint.

Dycom Industries (DY) ist dem Bereich Industriedienstleister und auch ein bisschen Telekommunikation zuzuordnen. Die Firma ist stark im Glasfaserkabelverlegungsgeschäft verortet und begleitet auch in Deutschland die Ausweitung des Glasfasernetzes.

Analysten gehen davon aus, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren 50 Millionen US-Haushalte mit Glasfaser-Breitband verbunden sein werden. Stetiges Wachstum scheint bei Dycom Industries für diese Zeitspanne gewährleistet zu sein. Das Unternehmen steht also vor einer hervorragenden Zukunft. Etwas Sorgen könnte die hohe Verschuldung hervorrufen. Aber das sollte eigentlich nicht wirklich “Schweiß in den Nacken treiben”: Bis 2024 erwartet das Unternehmen ein Umsatzwachstum von 27 % und einen Anstieg beim Gewinn pro Aktie von sage und schreibe 250 %. Nicht schlecht für einen Industriedienstleister.

Dycom Industries wird Ende November (noch nicht bestätigt) die Zahlen für das vierte Quartal präsentieren. Nun bietet sich ein Pre-Earning Swing Trade in der Aktie an. Gestern verlor die Aktie 6 %. Die Aktie nähert sich im Chart recht steil der 100er Marke, wo die Aktie spätestens ihr Tief finden sollte – Schlusskurs gestern: 105,11 $. Ich steige heute mit einer kleinen Position ein und spekuliere auf eine Rückeroberung der 120er Marke – womöglich gelingt das – sofern der Gesamtmarkt mitspielt -, noch vor Veröffentlichung der Quartalszahlen.

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